„Die fetten Jahre sind vorbei“ im Theater im Stadthafen

Theaterstück nach dem gleichnamigen Film von Hans Weingartner

10. Oktober 2010, von
Jule und Hardenberg
Jule und Hardenberg

Was tun, wenn man „mit der Gesamtsituation unzufrieden“ ist: auswandern, sich anpassen oder rebellieren?

Das Rostocker Volkstheater zeigt mit der Bühnenfassung zu Hans Weingartners Film „Die fetten Jahre sind vorbei“, wie drei junge Leute mit ihrem Unmut umgehen. Am Freitag feierte das von Christine Hofer inszenierte Stück im Theater im Stadthafen Premiere.

Jule (Laura Bleimund) hat allen Grund unzufrieden zu sein. Sie muss einen riesigen Berg Schulden abstottern. Entstanden ist dieser durch einen selbst verschuldeten Unfall. Ohne Haftpflichtversicherung muss sie nun für den hohen Schaden aufkommen, der ihr kleines Kellnergehalt jeden Monat neu auffrisst. Als sie die Miete nicht mehr zahlen kann, zieht sie bei ihrem Freund Peter (Michael Ruchter) ein und erfährt so von seinen nächtlichen Streifzügen, die er mit seinem Mitbewohner Jan (Jörg Schulze) durchs nächtliche Villenviertel unternimmt.

Jan, Hardenberg und Peter
Jan, Hardenberg und Peter

Die beiden jungen Männer sind nämlich auch unzufrieden, und zwar mit der Konsumgesellschaft, in der sie leben.

Weil sie sich nicht damit abfinden wollen, haben sie eine besondere Form der Rebellion entwickelt. Nachts brechen sie in die noblen Häuser wohlhabender Familien ein, stehlen aber nichts. Stattdessen verrücken sie die teuren Möbel und hinterlassen mysteriöse Botschaften wie „Das haben sie verdient“.

Sie nennen sich „die Erziehungsberechtigten“ und wollen mit den Aktionen ihre Opfer zum Nachdenken über deren materialistische Lebensweise bringen.

"Die fetten Jahre sind vorbei"
"Die fetten Jahre sind vorbei"

Bei einem Einbruch gerät jedoch alles außer Kontrolle. Jan und Jule, die sich in einem Swimmingpool näher kommen, werden plötzlich vom Hausherrn überrascht. Es ist Hardenberg (Jakob Kraze), der Jule in Schulden gestürzt hat. Als er sie erkennt, schlagen sie ihn nieder. Nun müssen die drei jungen Rebellen entscheiden, wie sie mit der Situation umgehen und wie radikal sie wirklich sein wollen.

Wie schon der Film, so wirft auch die Bühnenfassung von Gunnar Dreßler die Frage auf, woran man sein Handeln orientieren und welchen Idealen man folgen sollte. Jedoch gibt das Stück keine Antworten. Zu unterschiedlich sind die Motivationen der Figuren. Jan glaubt wirklich, mit seinen Aktionen etwas verändern zu können, Peter hat einfach Spaß dabei und selbst bei Hardenberg, der ja eigentlich den bösen Feind verkörpert, zeigen sich sympathische Züge.

Jörg Schulze, Jakob Kraze, Michael Ruchter und Laura Bleimund in "die fetten Jahre sind vorbei"
Jörg Schulze, Jakob Kraze, Michael Ruchter und Laura Bleimund in "die fetten Jahre sind vorbei"

Intensiviert wird die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Standpunkten durch eine Diskussion am Anfang des Stückes.

In einer Frühstücksszene treten die Schauspieler aus ihren Rollen heraus und werden zum Anwalt ihrer Figur. Dabei nutzen sie den Theaterraum so, dass sich das Publikum inmitten einer hitzigen Debatte wiederfindet.

„Das Stück fährt nicht nach Fahrplan“, verrät Laura Bleimund nach der Premiere. „Es ist nicht ganz klar, was passiert. Es ist jedes Mal anders. Dadurch wird es erst lebendig.“

Laura Bleimund
Laura Bleimund

Obwohl es natürlich inhaltliche Vorgaben gibt, können die Schauspieler an dieser Stelle eigene Fragen einbringen. Auf diese Weise gelingt es ihnen, einen aktuellen und persönlichen Bezug herzustellen, wie er wohl nur im Theater möglich ist.

Auf das Publikum bleibt die frische und energiereiche Darstellung der Schauspieler jedenfalls nicht ohne Wirkung. Katharina Heller, die auch schon von der Filmvorlage begeistert war, schwärmt: „Da steckt so viel Nervenkitzel drin: ein Entführungsthriller, eine Liebesgeschichte, der politische Stoff und lustig war es ja auch noch.“

Wer nun ebenfalls Lust auf einen unterhaltsamen, frischen und vielschichtigen Theaterabend bekommen hat, dem sei „Die fetten Jahre sind vorbei“ ans Herz gelegt. Weitere Vorstellungen können am 15., 16., 21. und 26. Oktober im Theater im Stadthafen besucht werden.

Fotos 1 – 4: Dorit Gätjen, VTR

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