Solidarität mit Japan! Fukushima heißt abschalten!
Anlässlich der Ereignisse in Japan gingen in Rostock rund 500 Menschen auf die Straße, um gegen Atomkraft zu demonstrieren
20. März 2011, von LuisaFast genau 25 Jahre nach dem Super-GAU in Tschernobyl im Jahr 1986 kam es aufgrund eines Tsunami zu Störungen im japanischen Kernkraftwerk Fukushima. Noch ist das denkbar Schlimmste nicht eingetreten, aber die Gefahr ist noch nicht gebannt. Wieder einmal zeigte sich, dass wir Menschen uns da mit einer Technologie eingelassen haben, die wir nicht kontrollieren können.
Auch hier in Deutschland sind wir gegen solche Störfälle nicht gefeit. Natürlich könnte man einfach sagen, dass Japan sowieso ein unsicheres Gebiet ist und dass man mit so etwas hätte rechnen müssen. Die Realität sieht aber anders aus. Man hatte mit fast allem gerechnet, aber eben nicht mit dem Unfassbaren, nämlich einem Erdbeben mit einer solchen Stärke. Auch hier in Deutschland wäre es möglich, dass etwas Unfassbares passiert, mit dem wir heute noch nicht rechnen.
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Eine Bewegung gegen die Atomkraft gab es schon immer. Aber seit dem letzten Freitag sind neue Stimmen hinzugekommen. Sei es aus Sorge oder aus neuerlich gewonnener Überzeugung – das Thema Atomausstieg hat jedenfalls wieder seinen Weg in die Mitte der Gesellschaft gefunden. Um ihr Mitgefühl für die Opfer in Japan zu zeigen und eine Wende in der deutschen Atompolitik herbeizuführen, trafen sich deswegen gestern rund 500 Menschen in der Rostocker Innenstadt.
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Zunächst gab es eine Andacht in der Marienkirche, bei der gesungen, gebetet und geredet wurde. Der Pastor bekundete sein Beileid und ließ keinen Zweifel daran, dass er selbst auch gegen die Atomkraft ist. Er rief alle auf, sich an der anschließenden Demonstration zu beteiligen, die von einem Bündnis aus Parteien, Vereinen und Initiativen ins Leben gerufen wurde.
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So beteiligten sich neben dem Anti-Atombündnis Nordost auch der Landesverband des Bundesverbandes Windenergie e.V., der Verein Ferien für die Kinder von Tschernobyl e.V., die Energiewende Nord e.V. und der BUND. Aus der politischen Ecke waren das Bündnis 90/Die Grünen, die SPD, Die Linken und auch die Jusos und die Grüne Jugend dabei. Und natürlich darf die Evangelische Innenstadtgemeinde nicht vergessen werden, die die Andacht abhielt.
Als die Andacht vorbei war, ging es weiter zum Universitätsplatz. Dort hatten sich schon ein paar Demonstranten eingefunden und hielten ihre Banner in die Luft. Das vom Anti-Atombündnis Nordost fiel dabei besonders ins Auge. Zwei Mitglieder hatten sich in weiße Ganzkörperanzüge gehüllt und Gasmasken aufgesetzt. Auf Stelzen stehend hielten sie so ein riesiges Totenkopfbanner in die Luft. „Atomkraft ist einfach zu gefährlich. Eine Energieform, die wir uns nicht leisten können“, sagte Christoph Redwitz, der ebenfalls zum Anti-Atombündnis gehört.
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Nach einer Schweigeminute für die Opfer der Geschehnisse in Japan eröffnete Daniel Holtermann vom Anti-Atombündnis Nordost die Kundgebung. Er erinnerte daran, dass auch, wenn momentan alle Parteien mit dem Unglück in Japan versuchten, Wahlkampf zu betreiben, die Folgen von Atomkraft weiter gingen als eine Wahlperiode.
„Wir sind seit 30 Jahren für die Abschaffung der Atomkraft, was muss denn noch alles passieren?“, fragte Holtermann. „Es geht hier um Menschen und nicht um Macht und Geld!“ In Anbetracht der Häufigkeit der Störfälle – hochgerechnet gäbe es jeden dritten Tag einen – sei der einzig richtige Weg die sofortige Abschaltung aller Atomkraftwerke. Denn, so betonte er: „Es gibt kein sicheres Atomkraftwerk!“
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Welche Folgen eine atomare Katastrophe haben kann, wusste Ursula Timm vom Verein „Ferien für die Kinder von Tschernobyl e.V.“ zu berichten, die auch schon in der Kirche gesprochen hatte. Etliche Dörfer in der Ukraine sind verlassen oder sogar begraben worden. Es lebten jedoch immer noch rund eine Million Menschen in der Gefahrenzone, bei denen die strahlenbedingten Krankheiten deutlich zum Vorschein kämen.
Die Katastrophe damals sei viel zu schnell wieder in Vergessenheit geraten: „Fukushima ist wie ein Paukenschlag, ein Aufschrei zum 25. Jahrestag von Tschernobyl, der sagt: Schränkt euch ein!“, stellte Ursula Timm fest.
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Auch Dr. Ursel Karlowski vom BUND erinnerte sich ganz genau an die Geschehnisse von vor 25 Jahren. Damals war die radioaktive Wolke bis nach Deutschland gekommen und es herrschte eine große Unsicherheit, was man noch essen und trinken durfte. „Das war eine wirklich beängstigende Zeit“, sagte sie. Und nun würden wir wieder hilflos zugucken, wie man in Japan versuche, gleich vier Kernschmelzen auf einmal zu verhindern. „Diese Risikotechnologie ist schon lange ein Auslaufmodell“ und gehöre deshalb sofort abgeschaltet, so ihr Plädoyer.
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Natürlich meldeten sich auch Vertreter aus der Politik zu Wort. Steffen Bockhahn, von den Linken, stellte fest: „Der Kern der Kernpolitik ist Intransparenz.“ Es würde immer alles runtergespielt und verschwiegen. „Transparenz muss her!“, forderte er, stellte aber gleichzeitig auch klar: „Das Abschalten der Atomkraftwerke ist unumgänglich.“
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Ingrid Bacher von der SPD stellte die Frage, warum erst eine solche Katastrophe geschehen müsse, um die Regierung von ihrem Kurs abzubringen: „Es braucht nicht eine solche Jahrhundertkatastrophe, um zu zeigen, dass diese Technik nicht zukunftsweisend ist!“, so ihre Aussage. Natürlich bräuchte es aber auch ein Umdenken in der Gesellschaft, um schnellstmöglich aus der Atomenergie auszusteigen.
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Für das Bündnis 90/Die Grünen trat Johann-Georg Jaeger auf die Bühne. Er warf der Regierung vor, dass die Abschaltung der sieben Meiler bisher rein wahltaktisch sei. Vor allem aber griff er ihre Aussage an, dass wir noch nicht ohne die Atomkraft auskämen. Laut Greenpeace sei es bereits im Jahr 2015 durchaus möglich, komplett auf alternative Energien umzusteigen.
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Nachdem alle Worte gesprochen waren, folgten Taten. Der Zug aus Demonstranten zog – unter lauten „Atomkraftwerke aus! Atomkraftwerke aus! Stellt den Müll Frau Merkel vor das Haus!“-Gesängen – in Richtung Neuer Markt. Von dort aus ging es weiter auf die Lange Straße und am Kröpeliner Tor vorbei wieder zurück zum Universitätsplatz.
„Ich bin schon, seit ich 16 bin, gegen Atomkraft“, verriet Kira Ludwig, die sich gestern auch unter den Demonstranten befand. „Wir haben das alles doch schon die ganze Zeit gewusst. Es ist kein Restrisiko, sondern ein Risiko vorhanden. Es Restrisiko zu nennen, bedeutet doch nur, damit zu leben und es zu ignorieren.“
Wer das genauso sieht, kann sich am nächsten Samstag, dem 26. März, den bundesweiten Kundgebungen und Demonstrationen anschließen. Um 8:15 Uhr wird eine Gruppe vom Rostocker Hauptbahnhof nach Berlin aufbrechen, der man sich anschließen kann. Außerdem wird am Montag (21. März) um 18 Uhr eine Mahnwache auf dem Doberaner Platz stattfinden.