Eine Turmbesteigung in der Rostocker Marienkirche
Näher an Gott. Oder auch nicht.
23. September 2009, von Emily
Ich bin ja eine dynamische Person, da kann ich 206 Treppenstufen schon mal bewältigen. So ein kleiner Kirchturm ist nichts, was mich aufhält, habe ich doch bereits den Berliner Dom (270 Stufen) und die St. Paul’s Cathedral in London (378 Stufen) bezwungen, vom Hamburger Michel (453 Stufen) mal ganz zu schweigen. Also bin ich in nullkommanix oben. Dachte ich.
Ca. zehn Stufen später war ich nicht mehr ganz so überzeugt von meinem Vorhaben. Ich meine, erstens war ich damals noch jung (also so 16 ungefähr) und zweitens waren die Gänge nicht so eng und die Treppen nicht so steil. Ächz. Leider folgen mir nun schon andere törichte Kirchenturmbesichtiger und so kann ich nicht mehr wirklich zurück.
Wann immer Leute von oben kommen, wird es sehr… kuschelig. Der einzige Halt ist ein dünnes Seil aus Naturfasern, das locker durch ein paar Ringe in der Backsteinwand gezogen ist und zwar nur auf einer Seite. Ich liebe ja das Abenteuer, fast so sehr wie mein Leben…
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Irgendwann bin ich dann doch oben angelangt und bereit, meine Sorgen über den Rückweg (runter ist das neue rauf, was die Beschwerlichkeit angeht, fragt mal einen Bergsteiger) zugunsten des fantastischen Ausblicks für eine Weile zu vergessen. Und was bietet sich mir für ein Anblick!
– Keiner. Man darf, so gnädig sind sie dann doch, mal eben durch ein Fenster auf das Gerüst gucken, das vor der Kirche steht. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es sich schon seit 2003 dort befindet, um das vom Einstürzen bedrohte Südportalfenster zu sichern (Emily+Orientierungssinn=ERROR), aber an der Marienkirche gibt es so
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Mittelschwer enttäuscht beschließe ich, mir wenigstens den Dachstuhl einmal genauer anzusehen. Und der ist auch wirklich nicht schlecht, Holzbalken stützen das Dach, der Boden knarrt behaglich. Überrascht entdecke ich eine große Glocke – sollte die jetzt nicht zu Erneuerungszwecken in einem Glockenbetrieb sein? Ich hatte da doch etwas gelesen… ach nein, es handelt sich um die authentisch-mittelalterlichen Glocken, die da neu gemacht werden. Die von mir so scharfsinnig ausgemachte Glocke ist dann wohl eine der zwei Bronzeglocken von 1979, oder gar das Geläut aus dem 16. Jahrhundert. Eine Kirche ohne Glocken wäre aber auch ungünstig. Übrigens kostet dieses Klingel-Remake die Gemeinde 200.000 Euro! – Kein Wunder, dass man überall zu Spenden angehalten wird. Liebe Millionäre in meiner gigantischen Leserschaft, hier können Sie Ihr Geld endlich mal in etwas Sinnvolles investieren.