„Lyrik in Orange“ - Premiere in der HMT
Poetisches Tanzstück der Freien Company des Tanztheaterprojekts Rostock
16. April 2010, von Katrin
Tanz und Lyrik, passt das zusammen? Sind Gedichte tanzbar? Spannende Fragen, auf die ich gestern Abend in der Hochschule für Musik und Theater Rostock (HMT) eine Antwort fand. Dort wurde das Tanzstück „Lyrik in Orange“ uraufgeführt.
Und so wurde das Stück eröffnet: Drei Tänzerinnen, Katrin Warncke, Sabine Hilliger und Andrea Krüger Bernstein, setzten sich nebeneinander auf den Boden und banden sich die Augen zu. Anschließend begannen sie einander zaghaft und liebevoll zu berühren. Ein lauter durchdringender Herzschlag ertönte dabei und ich blickte wie gebannt auf die Bühne. Plötzlich war eine Frauenstimme zu hören: „Ich liebe jene ersten bangen Zärtlichkeiten, die halb noch Frage sind und halb schon Anvertrauen“, sprach sie – die ersten Worte des Gedichtes „Zärtlichkeiten“ von Stefan Zweig.
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Ein „Tanzstück nach Gedichten in fünf Bildern“ wurde aufgeführt. Die drei Tänzerinnen stellten dabei die verschiedensten Gefühle und Befindlichkeiten dar. Freude, Glück, Angst, Verzweiflung gar – aber auch Hoffnung sprach aus ihren Bewegungen. Die Musik, mal dramatisch, dann wieder sanft und ruhig, und auch das Bühnenbild steigerten die im Tanz heraufbeschworenen Emotionen.
Warum Orange? Im Ayurveda stehe die Farbe für „Tanz, Musik und Feste“. Sie „wärmt“, bedeute aber auch „inspiriert zu sein, aktiv und voller Energie“, las ich im Programmheft der Aufführung. Die Tänzerinnen sprühten jedenfalls nur so vor Energie. Ihr Tanz war ein Wechselspiel von kraftvoller Vitalität und friedlicher Seelenruhe.
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„Have you considered orange?”, las ich schon vor Beginn der wunderbaren Darbietung auf einer Leinwand. Auch eine Vielzahl verschiedener orangener Dinge war da zu sehen. Ein orangenes Fahrrad und ein Damenstiefel etwa, oder eine Couch und eine orange gekleidete Menschenmasse. Wie verzaubert und voller kleiner Geheimnisse erschien mir all dies. Wunderbare Poesie also, wohin ich nur schaute.
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Beeindruckend auch die tänzerische Umsetzung der Verse aus T. S. Eliots „Four Quartets“. „Doch Glaube, Liebe und Hoffen sind alle im Warten. Warte ohne zu denken, … . Dann wird das Dunkel das Licht sein und die Stille der Tanz.“ Mehrere Reihen von Steinen lagen auf dem Boden, Andrea Krüger Bernstein dazwischen. Steine als Verweis auf die Ewigkeit? Was, wenn nicht Steine, währen ewiglich?
Dämmriges Licht wird vom Boden aus auf die Tänzerin gerichtet. Ihr Schatten folgt ihren Bewegungen im gleichen Rhythmus an der Wand im Hintergrund. Sie kauert, verharrt, schleicht am Boden dahin. Das Warten, die Dunkelheit und das Licht, wie wunderbar im Tanz verewigt.
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Ein Haiku von Bina Hesse bildete den Abschluss der Vorführung. Die Drei Frauen, jetzt in weißen langen Kleidern, treten langsamen Schrittes in den Raum. In ihren Händen trägt jede eine orangene Schüssel. Langsam stellen sie diese ab und umwandeln sie. „Stilles Wasser tief“ höre ich die eine. Eine zweite ruft: „perlt um Gedanken herum“. In den Schüsseln befand sich Wasser. Erst zuletzt erfuhr dies der Zuschauer. Was aber genau damit dann noch geschah, sollte sich mein geneigter Leser selbst anschauen.
Poesie ist tanzbar! Das weiß ich jetzt. Lassen auch sie sich davon verzaubern und sich entführen in eine Welt ergreifender Worte, rhythmischer Klänge und sinnlicher Bewegungen. Die zweite Vorstellung von „Lyrik in Orange“ findet am 24. April um 20:00 Uhr im Theater im Stadthafen statt. Die „Freie Company des Tanztheaterprojekts Rostock“ wird sich auf sie freuen.