Volkstheater zeigt „Drei Mal Leben“ von Yasmina Reza
Ein etwas anderer Pärchenabend im Theater im Stadthafen
8. Dezember 2012, von Andre
Was wäre wenn? Diese Frage hat sich wohl jeder schon einmal gestellt. Für die Figuren in dem Stück „Drei Mal Leben“, das gestern im Theater im Stadthafen seine Premiere feierte, wird diese Utopie jedoch zur Realität. Drei Mal müssen sie den gleichen Abend bestreiten, jedoch immer in einer veränderten Version. Und jedes Mal läuft irgendwas verkehrt.
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Schon zu Beginn des Stückes wird man als Zuschauer auf eine harte Probe gestellt. Haben sich die Theaterleute in der Jahreszeit geirrt oder warum hoppeln Franziska Reincke als Sonja und Stephan Fiedler als Henri in flauschigen Hasenkostümen über die Bühne? Das junge Paar versucht krampfhaft, den sechsjährigen Arno ruhig zu stellen. Erst mit Strenge, dann mit einem Keks und zum Schluss mit Käse und Fernsehen. Sowohl die Eltern als auch das Kind (welches in einem überdimensionalen Kassettenrekorder sitzt) schreien viel und zu allem Unglück steht auch noch das Ehepaar Finidori einen Tag zu früh vor der Tür.
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Also schnell raus aus dem Hasenkostüm, rein in normale Kleidung und versuchen zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Denn Hubert (Jakob Kraze), der dem erfolglosen Physiker Henri eigentlich eine feste Stelle vermitteln sollte, bringt eine berufliche Hiobsbotschaft mit. Zu allem Überfluss kämpft Ines (Sonja Dengler) auch noch mit einer Laufmasche, sodass die Stimmung schnell im Keller ist. Das Kind schreit, jeder zickt jeden an und andauernd fliegen Kissen auf die Bühne. Der Pegel steigt, die Hemmungen fallen und am Ende bringt es Hubert Finidori treffend auf den Punkt: „Hier herrscht ja heute Abend der reine Wahnsinn.“
Auch die zwei weiteren Leben sind nur wenig harmonischer und geprägt von Partnertausch, Enttäuschung und verrückten Dialogen. „Das ist das Aufregendste: Das Leben der Durchschnittlichen“, heißt es in dem Stück und genau da setzt auch der Text von Yasmina Reza ein. Es sind bekannte Situationen, Gespräche und Momente, die dem Zuschauer vorgeführt werden und eine komische Skurrilität erreichen.
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Chaos. Ein Wort, das den Abend treffend beschreibt. Denn nicht nur die Konstellationen der Figuren ist chaotisch, sondern auch die Bühne. Am Anfang sind es nur vier Sitzkissen, doch nach und nach fliegen immer mehr Polster in den Raum. Diese werden zu Burgen gebaut, für Schlachten genutzt oder als Behälter für Knabbereien. Am Ende herrscht, so wie im Leben der Figuren, ein heilloses Durcheinander.
Die vier Schauspieler liefern eine starke Leistung ab. Slapstick trifft auf Melancholie, Stimmungsschwankungen sind der Normalzustand und dann wird auch noch zu Michael Jacksons „Thriller“ getanzt. Mit einer guten Bühnenpräsenz meistern Stephan Fiedler, Franziska Reincke, Jakob Kraze und Sonja Dengler aber auch diese, etwas deplatziert wirkende, Klippe und kämpfen sich mit viel Kraft durch die drei Abende.
Einige Ideen der insgesamt mutigen Rostocker Inszenierung sind nicht wirklich schlüssig und wie so oft beim Volkstheater, scheitert auch „Drei Mal Leben“ viel zu oft an dem Versuch, Lacher mit Klamauk zu erreichen. Darunter leidet besonders die erste Stunde, denn erst zum Ende hin wird klar, dass hinter dem Stück mehr steckt, als ein weiterer lustiger Aufguss der schon bekannten Paarthematik.
Auch wenn es drei Mal heißt „Was wäre wenn“, gibt es kein klassisches Happy End. Immer ist es ein kleines Detail, das einen harmonischen Abend zu einer Katastrophe werden lässt. Hinter den kleinen Tragödien des Alltags versteckt sich die fast schon philosophische Erkenntnis, dass der Mensch oft machtlos seinem Schicksal ausgesetzt ist.
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Zu den Premierengästen gehörte auch Robert Grabow. Der Rostocker besuchte die Vorstellung im Rahmen einer Firmenveranstaltung und erzählt, sonst eher wenig Theatererfahrung zu besitzen: „Dafür war es aber besser als erwartet.“ Besonders von der schauspielerischen Leistung und den humorvollen Einlagen war der 28-Jährige sehr begeistert. Speziell bei der Elternthematik konnte er sich wiederfinden, da er auch bald Vater wird. „Ich könnte mir vorstellen, dass es bei uns genauso wird, dass meine Frau eher strenger ist und ich der lockere Papa werde“, erzählt er lächelnd.
Die nächste Gelegenheit, in das Chaos des alltäglichen Lebens einzutauchen, habt ihr am morgigen Sonntag. Wer schon was vorhat: Das Stück läuft neben zwei Terminen im Dezember auch noch im nächsten Jahr. Dann übernimmt jedoch Nadine Rosemann die Rolle der Sonja.
Weitere Vorstellungen:
- So 05.05. 2013, 20:00 Uhr, Theater im Stadthafen
- Fr 10.05. 2013, 20:00 Uhr, Theater im Stadthafen
- Sa 25.05. 2013, 20:00 Uhr, Theater im Stadthafen
Fotos 1 – 4: Klaus Gigga, Volkstheater Rostock