Ausstellung SACRA in Rostocker Universitätskirche
Acht zeitgenössische künstlerische Positionen reflektieren Fragen nach „den heiligen Dingen“
13. Mai 2010, von Katrin
In der alten Rostocker Klosterkirche „Zum Heiligen Kreuz“, der jetzigen Universitätskirche, wurde heute die Ausstellung „SACRA“ eröffnet. Aus diesem Anlass erklangen um 17:00 Uhr unter der Leitung von Universitätsmusikdirektor Thomas Koenig Chorwerke von Josquin des Prez und Dieter Schnebel mit dem Vokalensemble St.-Katharinen Rostock.
Ich konnte schon am Dienstag einen ersten Blick auf die Kunstwerke werfen. Eine Rauminstallation über dem Gestühl im Kirchenschiff fiel mir sofort auf, als ich die Kirche betrat. Gewölbte Formen an roten Fäden mit grau-rötlichem Muster entdeckte ich da. Unterhalb der Orgel erblickte ich sieben Objekte aus Glas mit verschiedenen handschriftlichen Texten. Auch ein recht unkonventionell anmutender und sehr bunt gestalteter Flügelaltar weckte meine Neugier. Doch worum geht es hier eigentlich? Was eint all diese Objekte und was bedeutet SACRA?
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SACRA ist ein lateinisches Wort. Übersetzt heiße es „die heiligen Dinge“ und Ausgangsidee des Projektes sei eben die Frage nach dem Heiligen, nach heiligen Räumen oder heiligen Zeiten gewesen, erklärte Prof. Dr. Eckart Reinmuth von der Theologischen Fakultät der Universität Rostock.
Zusätzlich wies er darauf hin, dass gegenwärtig Prozesse zu beobachten seien, „die einerseits vom Schwinden des Heiligen im öffentlichen Bewusstsein zeugen“ und „andererseits von einem neuen Interesse an heiligen Dingen berichten“ würden.
Was aber das „Heilige“ heute bedeuten könne, mit dieser Frage sollten sich Künstlerinnen und Künstler auseinandersetzen – mit dem Ziel, einen Kirchenraum für einen bestimmten Zeitraum zu gestalten.
Was ist uns heute heilig und ist uns Heiliges nicht längst schon fremd und unvertraut geworden? Fragen wie diese standen bei dem Projekt im Mittelpunkt des Interesses.
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Die Künstlerin Ulrike Freiberg lebt und arbeitet in Greifswald. Sie hat in Kiel freie Kunst studiert und ist Dozentin in den Greifswalder Kunstwerkstätten. Eine Taufschaukel, zwischen Altarraum und Hauptschiff installiert, ist ihr Beitrag für das Projekt. Sie ist Ergebnis des Zusammenwirkens der vier Elemente. Aus Erde und Wasser wurde sie geformt, an der Luft hat man sie getrocknet und im Feuer wurde sie gebrannt. Gefüllt mit Wasser symbolisiert sie die Quelle lebensspendender Kraft sowie Weiblichkeit und Reinigung. Die geistige Dimension der Geburt ist in ihr ebenfalls versinnbildlicht. Als Schaukel soll sie an das unschuldige und ursprüngliche Wesen im Menschen, an sein Selbst, erinnern und als Pendel steht sie für den Ablauf der Zeit wie auch deren Stillstand.
Der sakrale Raum der Kirche interessierte sie aufgrund seiner Größe und Höhe. Aber auch die über die Jahrhunderte bereits erfolgte Gestaltung mit kirchlichen Requisiten stellte eine Herausforderung dar. Denn von vornherein sei der Künstlerin klar gewesen, dass ihr Kunstwerk hier nicht allein für sich, sondern nur im Kontext seiner Umgebung verstanden und wahrgenommen werden würde. Zudem reize sie die Einwirkung des natürlichen Lichts sowie der Luftzirkulation im kirchlichen Raum, die ihr Werk beständig in Bewegung versetze, erklärte sie.
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Was dem Menschen heilig ist, diese Frage bewegt auch Janet Zeugner. Sie studierte an der Hochschule Wismar in Heiligendamm und Wismar Design und schloss das Studium mit dem Schwerpunkt Experimentelle Fotografie ab. Dinge, die der Mensch erschafft, und die Bedeutung, die er diesen beimisst, interessieren die Künstlerin.
So faszinierte sie besonders ein zentrales Kirchenfenster der Universitätskirche, von dem es ein Duplikat in der Stadt Tsingtau in China gibt. Was das etwa für ein heiliger Ort in China sei, an dem sich dieses Duplikat befindet, fragte sie sich. Ist ein Vergleich zwischen beiden Orten möglich?
Janet Zeugner lebte selbst eine Zeitlang in China. In ihren Arbeiten möchte sie Verknüpfungen zwischen beiden Städten schaffen , ebenso wie zwischen den Menschen, die dort leben. Es sind ebenfalls Fenstergestaltungen. Allerdings handle es sich nicht um Glasarbeiten, sondern um experimentelle Schwarzweiß- und Farbfotografien, erklärte sie.
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Angela Preusz studierte Kommunikationsdesign an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg und ist seit 1983 freischaffende Künstlerin. Sie schuf die Lichtprojektion „Kokoning“.
Mittelpunkt dieser Arbeit sind die 49 zumeist mittelalterlichen Grabplatten von Nonnen, Priestern und Bürgern der Stadt Rostock, die an das religiöse Leben jener Zeit im 13. Jahrhundert erinnern, in der das Zisterzienserkloster zum „Heiligen Kreuz“ gegründet wurde. Die Künstlerin arbeitet mit digitalen Medien und schuf Darstellungen von Frauen der Gegenwart, die sie auf die Grabplatten projiziert. Auf diese Weise schafft sie Verbindungen zwischen den Nonnen von damals und den Frauen heute. Fragen der Identität und des Heil(ig)seins sind Teil dieser Auseinandersetzung.
Kunst in der Kirche? Eine jede Kirche ist Zeugin des Zusammenwirkens von Religion und Kunst und sie birgt einen sakralen Raum, der in unserer kaum mehr durchschaubaren Welt der Orientierung dienen kann. Die Wirkung dieses Raumes sollte im Projekt SACRA künstlerisch aufgearbeitet werden. Auch die Begegnung zwischen fremden und vertrauten Traditionen und moderner Formensprache spielten dabei eine Rolle. Zudem war es ein Ziel, die Raumwahrnehmung der Besucher einer Kirche einmal zu verlangsamen. Wieviel Zeit verbringt man gewöhnlich schon in einer Kirche? Und kann man dabei überhaupt allen Gegenständen die gebührende Aufmerksamkeit schenken?
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Die Ausstellung SACRA wirft so viele Fragen auf und regt zum Nachdenken an. Wer sie nicht besucht, verpasst acht eindrucksvolle, künstlerische Positionen und die Möglichkeit, sich einer Antwort auf die Frage nach dem, was uns heilig ist, wieder ein Stück weit anzunähern.
Veranstaltet wird SACRA vom Professionalisierungs- und Vernetzungsprojekt für Künstlerinnen in Mecklenburg-Vorpommern „Die Kunst von Kunst zu leben“ und dem „Institut für Text und Kultur“ der Universität Rostock. Kooperationspartner sind das Kulturhistorische Museum Rostock, die Evangelische Akademie Mecklenburg-Vorpommern sowie die Unabhängige Studiengemeinschaft für Kultur und Zeitgeist.
SACRA kann vom 14. Mai bis zum 24. Juni, dienstags bis sonntags, besichtigt werden. Der Eintritt ist frei. Überdies laden die Veranstalter des Projektes zu einem vielfältigen Begleitprogramm ein. Es nimmt Bezug auf die Ausstellung und die Werke der Künstlerinnen und Künstler.