Stadt-Umland-Enwicklung = Regiopole?
Rostock und sein Umland – Transitstrecke, Regiopole oder Garten der Metropolen
3. Juni 2010, von OlafErwin Sellering als Gärtner von Ole von Beust und Klaus Wowereit? Mecklenburg-Vorpommern als Garten der Metropolen Hamburg und Berlin? Fragen, denen sich gestern das 8. Symposium zum Thema „Stadt-Umland-Entwicklung – Konzepte und Visionen“ in unserer Hansestadt widmete.
Veranstaltet vom Wissenschaftsverbund Um-Welt (WVU) der Universität Rostock und dem Staatlichen Amt für Umwelt und Natur (StAUN) trafen sich gestern rund 100 Politiker und Wissenschaftler, um sich über eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes auszutauschen.
Drei Konzepte und Visionen standen im Mittelpunkt der Veranstaltung: die „Nord-Süd-Initiative“, der „Garten der Metropolen“ sowie die „Regiopole Rostock“.
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Björn Swinarski von der IHK zu Rostock stellte die „Nord-Süd-Initiative“ vor. Sie hat sich die Entwicklung eines neuen Wirtschaftsraumes auf die Fahnen geschrieben. Nicht ganz unbescheiden gleich den kompletten „Wirtschaftsraum Zentraleuropa“. Von Skandinavien bis zur Adria soll er reichen.
21 Partner haben sich dafür zusammengeschlossen. Abzüglich der Industrie- und Handelskammern schrumpft die Zahl auf 10, darunter vorrangig Unternehmen aus der Transport- und Logistikbranche. Dies lässt erahnen, in welche Richtung das Ganze geht – in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Die Transeuropäischen Verkehrsachsen sollen über Berlin und Rostock bis nach Kopenhagen ausgebaut werden.
Ob eine Transitstrecke für den Güterfernverkehr hilfreich ist, um den ländlichen Raum nachhaltig zu entwickeln? Diese Frage dürfte sich auch Dr. Jan Dieminger vom Landesumweltamt Güstrow gestellt haben. „Ob wir noch mehr Wirtschaftswachstum und noch mehr Verkehr in unserem Land tatsächlich brauchen“, lautete sein Einwand. Gerade bei der „Nord-Süd-Initiative“ würde er die Nachhaltigkeit vermissen.
„Nachhaltigen Umweltschutz oder eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung“, wie an diesem Tag oft angeführt, würde es für ihn nicht geben, so Dieminger, „es kann nur eine nachhaltige Gesamtentwicklung geben.“ Prof. Dr. Wolfgang Nieke von der Uni Rostock pflichtete ihm bei. An oberster Stelle steht laut UNO der Schutz der Ressourcen. „Das Wirtschaftswachstum soll, wenn möglich, davon nicht beeinflusst werden.“ Politiker drehen das leider etwas um und setzen das Wirtschaftswachstum an die erste Stelle. „Da müssen wir aufpassen, dass uns der Nachhaltigkeitsgedanke nicht als kleine grüne Blume an der Seite herunterfällt“, so Nieke.
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Der „Garten der Metropolen“ lasse schon gewisse Assoziationen zu den„blühenden Landschaften“ aufkommen, gab Prof. Dr. Peter Adolphi von der Akademie für nachhaltige Entwicklung M-V zu, „doch lassen sich blühende Landschaften nicht herbei subventionieren.“
Der „Garten der Metropolen“ sei dabei kein Konzept, erläuterte Adolphi, sondern vielmehr eine Vision, ländliche Gebiete als lebenswerte Räume erhalten, entwickeln und gestalten zu können.
„Nachhaltige Entwicklung ist, obwohl inflationär verwendet, eigentlich weitgehend ein nicht verstehbarer Begriff“, so Adolphi. Ein Zitat aus den Reihen von Greenpeace würde es für ihn treffend umschreiben: „Mehr Zufriedenheit mit weniger Ressourcenverbrauch“. Interessant sei an dieser Sichtweise, dass „mehr Zufriedenheit“ für jeden Einzelnen eine sehr unterschiedliche, ganz individuelle Bedeutung haben kann.
Auffallend wäre natürlich, dass derzeit eher das Gegenteil der Fall ist – mehr Ressourcenverbrauch und dennoch weniger Zufriedenheit. „Wenn die Individualität der Zufriedenheit zutrifft, dann sollte man bitte auch die Ausführung den Individuen überlassen.“ Klingt etwas gelb, sei aber nicht so gemeint. Vielmehr hätten die ländlichen Räume die Chance, autark zu wirtschaften, Ihre Angebote individuell zu gestalten, sich auf die vermögenden Metropolen zu beziehen und von diesen zu profitieren.
Der Gärtner sei nämlich keineswegs zu diskreditieren. Er kann sich selbst versorgen und – zumindest teilweise – unabhängig leben. Auf den ländlichen Raum übertragen, muss er beispielsweise keinen Strom und keine Wärme kaufen (Bioenergie-Dörfer sind ein aktuelles Projekt) oder kann Teile der Entsorgung selbst auf dem Komposthaufen vornehmen. Der Garten sei für ihn das Bild eines kleinteiligen Wirtschaftsraums, der sehr dicht am Verbraucher sei. Gerade hier hätte der Raum zwischen Hamburg und Berlin große Potenziale.
Nicht die Verzichtsdiskussion sei dabei das Thema, sondern vielmehr die Konzentration auf das, was wirklich gewollt wird. Was kann ich zu welchen Kosten mit den vorhandenen Ressourcen in meiner Gemeinde erreichen, wie bleibt die Wertschöpfung im Dorf? Der Verzicht auf Überflüssiges stelle sich dabei von ganz alleine ein, so Adolphi.
Nachhaltigkeit im ländlichen Raum mal auf eine etwas andere, dezentrale Weise betrachtet – charmant und interessant! Weitere Informationen – auch zu dem mit immerhin 10.000 Euro dotierten Zukunftspreis der Akademie – gibt es unter http://www.nachhaltigkeitsforum.de.
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Regiopole – mehr als nur ein schicker Begriff für all die Städte, bei denen es nicht zur Metropole reicht, die sich aber für mehr als nur ein Oberzentrum halten? Dieser Frage ging Gerd Schäde vom Regionalen Planungsverband Mittleres Mecklenburg/Rostock nach.
Elf Metropolregionen gibt es in Deutschland, darüber hinaus zahlreiche Oberzentren. Nun gibt es einige größere Mittelstädte, die eine Dynamik entwickeln, welche über die normaler Oberzentren hinausgeht. Entstanden an der Universität Kassel, ist der Begriff Regiopole bisher nicht viel mehr als ein Begriff. An der Anerkennung durch die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) werde aber bereits gearbeitet.
Die Regiopolregion Rostock soll als wirtschaftliches, soziales, wissenschaftliches und kulturelles Zentrum des Landes ausgerichtet werden. „Letzten Endes geht es immer und überall ums Geld“, so Schäde. Der Regiopolstatus muss im Finanzausgleich entsprechende Berücksichtigung finden.
Das Ziel sei es, „als Wirtschaftsraum Rostock in der zweiten Wirtschaftsliga Deutschlands zu bleiben“, betonte Schäde. In die erste Liga sei es kaum zu schaffen, aber „wir wollen natürlich auch nicht absteigen wie Hansa.“
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Neben qualitativem Wachstum in der Regiopole auch „gesundes, intelligentes Schrumpfen“ zu beherrschen, wird in der Zukunft zur Nagelprobe werden, machte Schäde die Problematik deutlich, die der Bevölkerungsrückgang ganz unweigerlich mit sich bringe.
„Rostock ist unser wirtschaftliches und kulturelles Zentrum hier in der Region, aber um zu einer Regiopole zu werden, haben wir noch ein ganzes Stück zu tun“, brachte Dr. Rainer Boldt, stellvertretender Landrat im Landkreis Güstrow, seine Bedenken zum Ausdruck.
„Eine Zusammenarbeit in der Region setze voraus“, so Boldt, „dass man Vertrauen zueinander hat und dass alle Seiten das Vertrauen haben, dass es jedem etwas bringt.“ Das Kirchturmdenken sei jedoch leider überall – auch hier in Rostock – noch ziemlich verbreitet.
So verschieden die Konzepte und Visionen auch waren, zeigen sie doch, dass es verschiedene Möglichkeiten für die Entwicklung des ländlichen Umgangs und die Zusammenarbeit mit den Städten gibt. Änderungen sind unumgänglich, allein schon aufgrund des demografischen Wandels. Es gibt jedoch mehr als nur Politik, Raumordnung und Landschaftsplaner. „Man sollte sich davor hüten, der bessere Raumordner für jeden Bürger zu werden“, brachte es Prof. Adolphi auf den Punkt.
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Hans-Joachim Meier vom StAUN wies zum Abschluss noch einmal auf die 11. Regionale Nachhaltigkeitsausstellung hin, die im Rahmen des Symposiums eröffnet wurde. Der eigentlich geplante Rundgang durch die Posterausstellung fiel diesmal etwas knapp aus – das Wetter war wohl einfach zu schön und lockte die Teilnehmer zur Mittagszeit doch eher nach draußen.
Neben den bereits beschriebenen drei Projekten finden sich hier weitere interessante Themen, beispielsweise ein Planungsleitfaden für ein barrierefreies Rostocker Stadtzentrum.
Bis zum 18. Juni ist die Ausstellung noch in der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock zu sehen. Vom 12. Juli bis zum 13. August ist sie im Umweltamt Rostock zu Gast, anschließend in Güstrow und Bad Doberan.