10. Rostocker Kunstnacht
Kunst, Musik, Theater und Literatur in der Östlichen Altstadt
6. Juni 2010, von Stefanie
Die 10. Rostocker Kunstnacht in der Östlichen Altstadt begann am helllichten Tag bei strahlendem Sonnenschein. Über 30 Mitveranstalter boten mit Ausstellungen, Lesungen, Konzerten, Theatervorstellungen und Performances ein so interessantes und umfangreiches Programm, dass einem die Auswahl wirklich schwer fallen konnte.
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Ich entschied mich, mit „Gut Ding Will“ im Fischerbruch zu beginnen. In der Idylle eines Gartens an einem ruhigen Seitenarm der Warnow präsentierten die Künstler ihre Werke zwischen Obstbäumen und stellten auch im Verlauf des Abends noch Bilder her.
Zur Abkühlung zog es mich als Nächstes in die Gewölbegalerie. Für „Die Liebe – Amor“ den musikalischen Abend zwischen gestern und morgen war es noch zu früh. So konnte ich mich in Ruhe den ausgestellten Holzskulpturen und Bildern widmen.
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Im Künstleratelier nebenan war eine Fotoausstellung angekündigt.
Als ich in der Tür stand, war erstmal nur ein schwebender weißer Kasten zu sehen. Um die Ecke saß der Fotograf Jürgen Rolfs zwischen einem Computer und einer Kamera. „Hier entsteht heute Abend erst das Kunstwerk“, klärt er auf. „Die Besucher können Teil meiner Performance werden.“
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Was sollten diese tun? Die Besucher begaben sich in den schwebenden Kasten. Dieser hatte auf allen Ebenen Löcher, hinter denen sich ein neues Bild befand, oder auch nicht. Als Beobachter dokumentiert Jürgen Rolfs mit der Kamera alle Versuche der Besucher, die Löcher zu finden. Anschließend sollten sie ausgedruckt und aufgehängt werden.
Inspiriert wurde der Autodidakt von seinen Beobachtungen, die er auf Ausstellungen gemacht hat: „Mich interessiert, wie die Betrachter sich einem Bild nähern. Einige, oft selbst Künstler, gehen ganz dicht heran und beugen und hocken sich davor“, erzählt Jürgen Rolfs über die Idee für seine Aktion. Hört sich interessant an, da ich aber eine der Ersten war und noch keine Fotos fertiggestellt waren, wollte ich später noch einmal vorbeikommen, um mir die Ergebnisse anzuschauen.
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Inzwischen führte mich meine Kunstnachttour in weitere Ausstellungen – in die Galerie Wolkenbank, wo Fotografien von Tim Kellner zu sehen waren und ins Künstleratelier im Schleswig-Holstein-Haus. Hier waren unter dem Titel „Fundorte“ Objekte und Installationen der Künstlerin Annette Czerny ausgestellt.
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Fotos, Skulpturen, Malerei, Installationen – nach so viel bildender Kunst, brauchten meine Augen mal eine Pause. Also kümmerte ich mich jetzt um meine Ohren und besuchte ein Harfenkonzert in der Hochschule für Musik und Theater. Alena Butt hieß die Musikerin, die das Programm zum größten Teil gestaltete. Ich lauschte den barocken Klängen eines Harfenkonzerts von Georg Friedrich Händel und einer klassisch-modernen Sonate von Paul Hindemith.
Andreas Wehrenfennig von der Staatskapelle Halle stellte dem Publikum Kompositionen des englischen Harfenvirtuosen Elias Parish-Alvars vor. Er war einer der Ersten, die die neuen Spielmöglichkeiten der Doppelpedalharfe voll ausreizte. Welche Klangeffekte dadurch entstehen, zeigte Andreas Wehrenfennig mit seiner Introduktion und Variation über ein Thema aus Bellinis Oper „Norma“.
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Dass auch ausgefallene Kleidungsstücke, Hüte und Accessoires große Schöpfungskraft voraussetzen und deshalb auch Mode als Kunst bezeichnet werden kann, davon konnten sich die Besucher der Kunstnacht bei der Modenschau von Yadviga Adesskaya in der Grubenstraße überzeugen.
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Auch kunstvoller Schmuck wurde an vielen Orten präsentiert. Bei Romy Niekammer beispielsweise durfte man einen Blick in ihre Goldschmiede werfen, wo sie farbenfrohe Edelsteine zu fantasievollen Schmuckstücken verarbeitete.
Mode und Schmuck wurden auch in der Produzentengalerie artquarium gezeigt. Malerei und Skulpturen machten die Ausstellung dort zu einer der vielseitigsten an diesem Abend.
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In der Gerberei hingegen konzentrierte man sich auf die Präsentation der Bilder eines Künstlers aus Hannover, My Rho. Zusammengefasst unter dem Titel „Fetischträume dreidimensional gefangen“ zeigen die Bilder Frauen, die als Tiere fantasievoll inszeniert wurden. Ursprünglich als dreidimensionale Darstellung mit dem Computer hergestellt, zeichneten sie sich durch eine besonders intensive räumliche Tiefe aus.
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Erotisch ging es auch im Café À Rebours zu. Hier entführte der Berliner Salontenor Daniel Malheur mit seinem Monokel Pop in die wilden 20er Jahre. Begleitet von seinem Trichtergrammofon sorgte mit alten Kabarettschlagern und Chansons, die er mit ausladender Mimik und Gestik vortrug, für viel Amüsement beim Publikum.
Seinen Abschluss fand die Kunstnacht in der Nikolaikirche. Hier waren bereits am Nachmittag die 4. Norddeutschen Maler- und Grafikertage eröffnet worden, eine Gelegenheit für viele Künstler der Region ihre Arbeit vorzustellen und zu verkaufen.
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Einer von ihnen war der Vedutenzeichner Kjeld Heinze, der seine zeitgenössischen Ansichten von Mecklenburg-Vorpommern mitgebracht hatte. Auf beeindruckende Weise bringt er mit einem Bleistift fotorealistische Stadtansichten und Landschaften auf Papier.
„Bei diesem Baum fasziniert mich, wie nach und nach die Formen entstehen“, erklärte Kjeld Heinze, als er auf ein vor ihm liegendes Bild wies, welches gerade auf Grundlage eines Fotos entstand. Er erzählte, dass er sich das Zeichnen selbst beigebracht hat und die präzise Darstellung eines Motivs etwa 60 Stunden in Anspruch nimmt.
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Gegen Mitternacht begann in der Kirche das Kunstnachtfest. Unter Mitwirkung von „Tanzland“, der Gruppe Claudia Graue und Wolfgang Schmiedt und den Timskis feierte das Publikum noch bis in die frühen Morgenstunden. Viele von ihnen zeigten sich begeistert. „Eine großartige Stimmung. An einigen Orten ging es ganz schön turbulent zu. Ich habe mich dann gern zu den ruhigeren Plätzen zurückgezogen“, fasste ein Besucher seine Erlebnisse auf der 10. Rostocker Kunstnacht zusammen.