Universität Rostock entscheidet über den Freiversuch

Über 200 Studierende fieberten auf der Senatssitzung mit

6. Juni 2012, von
Studierende belagern den Flur
Studierende belagern den Flur

Schon Goethe wusste: „Mit den Jahren steigern sich die Prüfungen.“ Auch wenn er bei seiner Äußerung vielleicht nicht primär die Universitäten im Sinn hatte, gehören die Prüfungen doch zum Studium wie Mephisto zum Faust. Kein Wunder also, dass die heutige Senatssitzung der Universität Rostock von vielen Studenten genau verfolgt wurde, ging es doch um die in den letzten Wochen aufgekommene Gretchenfrage, ob der Freiversuch in der Prüfungsordnung erhalten bleiben soll.

Studierende in den Bachelor- und Masterstudiengängen haben die reguläre Möglichkeit, eine nicht bestandene Prüfung einmal zu wiederholen. Durch den 2006 eingeführten Freiversuch entstand die Chance, einen weiteren Versuch zu bekommen, wenn die Leistung in der Regelstudienzeit erbracht wurde. Neben nicht bestandenen Prüfungen konnte man ihn allerdings auch nutzen, um bestehende Noten noch einmal zu verbessern.

Die entscheidende Senatssitzung
Die entscheidende Senatssitzung

Auf der vergangenen Sitzung des Senats wurde die Debatte geführt, den Freiversuch zukünftig abzuschaffen. Vor allem die Lehrenden führten an, dass durch den Freiversuch ein immenser zusätzlicher Aufwand entstünde und Studierende mit Absicht unvorbereitet in Klausuren gingen, „nur um mal zu schauen.“ Auch sahen einige die Qualität der Abschlüsse bedroht, wenn abgelegte Prüfungen problemlos wiederholt werden dürften und Noten nur „wischiwaschi“ seien. Weiterhin sahen einige Senatsmitglieder die Gefahr, dass die Studierenden zu viel Zeit verschwenden und so das Studium unnötig in die Länge gezogen würde. Mit einer knappen Mehrheit wurde der Freiversuch abgeschafft.

"Rettet den Freiversuch"
"Rettet den Freiversuch"

Doch die Studierendenschaft nutzte ihr Vetorecht und so wurde die endgültige Entscheidung auf die heutige Sitzung vertagt. Für sie ist der Freiversuch eine wichtige Entlastung in den sehr stressigen, modularisierten neuen Studiengängen. Vor allem der psychische Druck würde ohne die zweite Chance stark ansteigen.

Wie wichtig das Thema für die Studierenden ist, zeigte die große Resonanz auf der heutigen Senatssitzung. Über 200 Studenten und Studentinnen waren mit Buttons, Stickern und Plakaten ins Medienzentrum gekommen, um live bei der Entscheidung dabei zu sein. „Rettet den Freiversuch!“ war überall zu lesen.

Nach drei Stunden war es endlich soweit, die entscheidende geheime Abstimmung stand an. Kurz darauf folgten Jubel und tosender Applaus, zwölf der zwanzig anwesenden Senatoren stimmten dem Kompromissvorschlag der Studierendenschaft zu. Zukünftig wird der Freiversuch nur noch bei 30 Prozent aller Prüfungen in einem Studiengang zur Verfügung stehen. Dadurch besteht immer noch die Möglichkeit, schlechte Leistungen auszugleichen. Gleichzeitig werden aber auch die Dozenten entlastet, weil nicht mehr jede Prüfung wiederholt werden darf.

Thomas Dauben und Ines Bertl
Thomas Dauben und Ines Bertl

Sehr glücklich mit dem Ausgang der Sitzung waren auch Ines Bartl und Thomas Dauben. Beide sind inzwischen Masterstudenten in Rostock und haben in ihrem Bachelorstudiengang Biowissenschaften mehrmals vom Freiversuch Gebrauch gemacht. „Ich hab mich dabei immer wochenlang vorbereitet, es sollte halt aber einfach nicht sein“, erzählt Ines. Vor allem in den Bachelorstudiengängen seien die Noten wichtig, um später im Master weitermachen zu können. Auch der Kompromiss ist für die beiden Studierenden in Ordnung. „Man will ja auch mal irgendwann fertig werden, da kann man nicht jede Prüfung wiederholen“, erzählt Thomas. Obwohl beide den Freiversuch mehrmals nutzen, sind sie in der Regelstudienzeit mit dem Bachelor fertig geworden.

Der Freiversuch ist also gerettet, doch die Prüfungen müssen trotzdem weiterhin bestanden werden. Warum das manchmal nicht ganz leicht ist, beschrieb schon um 1800 der Schriftsteller Charles Caleb Colton: „Prüfungen sind deshalb so scheußlich, weil der größte Trottel mehr fragen kann, als der klügste Mensch zu beantworten vermag.“

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