Jura ist tot – es lebe Jura!
Neuer Bachelor-Studiengang an der Uni Rostock: Good Governance führt Jura-Tradition weiter
17. August 2010, von Andreas
Jura ist ein auslaufender Studiengang. Für Rostocker Studenten hat diese Meldung wenig Neuigkeitswert. Lange Zeit war der Horizont dunkel, mehrmals wurde diese Studienrichtung symbolisch zu Grabe getragen, alle Initiativen schienen erfolglos zu bleiben. Juristen mit Staatsexamen werden im Land nur noch in Greifswald ausgebildet und auch der Studiengang „Öffentliches Recht“ läuft an der Universität Rostock aus.
Doch man war nicht untätig an der juristischen Fakultät, suchte nach Auswegen. Und anscheinend dachte man sich: Manchmal reicht kein Ausweg, manchmal muss man neu starten.
Dieser Neustart geschieht nun in Form eines neuen Bachelor-Studiengangs. „Good Governance” – das klingt nach „gutem Regieren”. Die volle Bezeichnung des neuen Bachelor-Studienganges „Wirtschaft, Gesellschaft, Recht – Good Governance” zeigt, dass mehr dahinter steckt. Auch in Wirtschaft und Gesellschaft will „gut regiert” werden. Man hat sich also Mühe gegeben, dass es „gut” klingt – offensichtlich. Aber was steckt dahinter? Jura light? Jura durch die Hintertür? Letzter Rettungsanker einer Fakultät? Oder wirklich ein neuer, gangbarer Weg zu den vielen offenen Stellen in Organisationen, Verbänden und Parteien?
Klar ist nämlich auch: Es werden viel weniger Volljuristen benötigt als wirtschaftsrechtlich fitte. Ab dem Wintersemester 2010/11 können Studenten herausfinden, ob dies „ihr” Weg wird. Und jeder Abiturient hat zunächst diese Chance, denn einen Numerus clausus gibt es nicht. Schon 122 Bewerbungen sind in letzten zwei Wochen eingegangen. Was können diese „Erstis” nun also erwarten vom Rostocker „Bachelor of Laws”?
Betrachtet man den Ablauf des Studiums, wird schnell klar: Interdisziplinarität wird groß geschrieben – zumindest größer als beim Staatsexamen, wo ein „Grundlagenschein” ausreichte. Philosophie, Volkswirtschaftslehre, Soziologie und natürlich Grundlagen des Rechts bilden den Stoff der ersten beiden Semester. Dann folgen viele Veranstaltungen rund um die drei Säulen fast jedes juristischen Studiums: Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht. Ab dem 7. Semester kann dann eines von drei Spezialgebieten vertieft werden. „Unternehmen und Privatwirtschaft”, „Staat, Wirtschaft und Verwaltung” sowie „Globalisierung und Internationale Beziehungen” stehen zur Auswahl.
Die eigentliche Qual der Wahl folgt allerdings erst nach dem Bachelor-Abschluss: Weitermachen und den Master-Abschluss drauflegen, beispielsweise den neuen in maritimen Wirtschaftsrecht? Lieber umschwenken zum Staatsexamen, wenn man Richter, Verteidiger, Staatsanwalt werden möchte? Oder doch gleich mit dem Abschluss eine Stelle suchen?

Dass man sich an einer anderen Uni die Scheine für das Staatsexamen anrechnen lassen kann, könnte Fluch und Segen zugleich sein. Nach den ersten Semestern wird es nämlich doch sehr „juralastig”, um die Anrechenbarkeit der Scheine sicherzustellen. Auf jeden Fall hatte man diese Möglichkeiten mit dem „alten” Staatsexamen so nicht – dort merkten viele erst zu spät, dass ihnen juristisches Denken nicht liegt.
Aber das sind nicht die einzigen Unterschiede: Die Herangehensweise an das Recht soll Absolventen des neuen Studienganges befähigen, das „wie” statt des „warum” zu verstehen, wie es Rektor Professor Schareck auf den Punkt bringt.
Neben der bereits erwähnten Interdisziplinarität soll dazu die Fokussierung auf Bildung statt Wissensvermittlung beitragen. Das heißt, man soll mit Rechtsprechungsänderungen umgehen und Recht gestalten, nicht nur anwenden können. Im Idealfall würden keine „Staatsdiener”, sondern souveräne „Staatsbürger” das Ergebnis sein. Das alles klingt zwar „good”, aber ob diese Versprechen eingehalten werden können, wird sich zeigen.
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Zumindest konnten mit dem Zweitfach-Studiengang Öffentliches Recht schon Erfahrungen im Bachelor-Bereich gesammelt werden. Die Universität Rostock ist übrigens nicht die einzige, die auf diesem Weg eine Reform der Juristenausbildung versucht. Angefangen mit der Uni Greifswald gibt es auch in anderen Städten ähnliche Ansätze, die aber teilweise andere Schwerpunkte setzen. Die Universität Rostock, so Prof. Benedict von der juristischen Fakultät, befinde sich „an der Spitze derer, die 150-jährige Reformbemühungen der Juristenausbildung umsetzen.”
Damit der neue Weg nun nicht mit alten Schuhen beschritten werden muss, wird die juristische Fakultät „demnächst” in den Ulmencampus umziehen. Dort sind die Arbeiten an neuen Sälen in vollem Gange, sodass es hoffentlich keine Platzprobleme gibt, wenn die „neuen” Juristen hier ihre Vorlesungen besuchen.