Groter Pohl – Funktionsplan für neues Wohnviertel
1.200 Wohnungen, Gewerbe und ein Schulcampus sollen im Stadtquartier „Groter Pohl“ zwischen Südring, Erich-Schlesinger-Straße und Bahntrasse in der Rostocker Südstadt entstehen.
24. Mai 2023, von Olaf
Eigentumswohnungen! Ausgerechnet Rostocks oberstem Stadtplaner Ralph Müller rutschte das E-Wort heraus, nachdem er ausführlich erklärte, wie im neuen Wohngebiet „Groter Pohl“ eine „bunte, gesunde, urbane Mischung“ entstehen soll.
„Warum ist das ausgeschlossen“, fragte der Leiter des Amts für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wirtschaft, nachdem sich lautstark Unmut in der Rathaushalle breit machte. Er könne sich gut vorstellen, dass kleine, drei- oder viergeschossige Reihenfamilienhäuser an dieser Stelle eine gute Alternative zu Eigenheimgrundstücken am Stadtrand sind.
Dass die Grundstücke am Groten Pohl fast ausschließlich Eigentum der Hanse- und Universitätsstadt sind, sei ein großer Vorteil. Über Konzeptvergaben oder Festpreise könne die Stadt Einfluss auf Wohnformen und Vielfalt nehmen, sagt Müller: „Wir wollen nicht demjenigen den Zuschlag erteilen, der das meiste Geld bietet, sondern dem, der das beste Konzept hat“. Am Ende müsse aber auch die Finanzierung sichergestellt werden. Rostock möchte die Grundstücke selbst erschließen. „Dass der Erschließungsaufwand keine kleine Nummer ist, ist klar.“

Schulcampus, Gewerbe und 1.200 Wohnungen geplant
Stephan Zemmrich vom Architekturbüro „Haas Cook Zemmrich“ aus Stuttgart stellte die Eckdaten für das etwa 22 Hektar große Gelände vor. Rund 115.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche sieht der Funktionsplan fürs Wohnen vor. Je nach Wohnungsgröße ergibt dies etwa 1.200 Wohneinheiten für 2.500 bis 3.000 Menschen.
Im westlichen Teil soll ein Schulcampus mit Hort und Sporthalle entstehen. Daran anschließen könnte sich ein Kreativ-Campus für Start-Ups oder studentisches Wohnen. Hier ist auch Platz für die neue Moschee bzw. den Gebetsraum der islamischen Gemeinde sowie die interkulturellen Gärten.
Im nördlichen Bereich ist entlang der Bahnschienen ein Park geplant, dahinter soll ein Gewerbe-Boulevard entstehen. Der perfekte Ort für Technologienzentren, Start-Ups, aber auch Handwerkerhöfe, so Zemmrich. Gewerbeflächen sind auch entlang des Südrings vorgesehen. Sie sollen die künftigen Bewohner möglichst gut vom Straßen- und Bahnlärm abschotten.
Die Wohnbebauung ist vier- bis sechsgeschossig im Zentrum geplant. Flexible Gebäudetiefen zwischen zehn und 15 Metern ermöglichen eine große Bandbreite an Wohn- und Lebensformen, die reinen Wohnstraßen erlauben lebendige Erdgeschosse mit kleinen Terrassen und Vorgärten.
Autoarmes und stellplatzfreies Quartier
Das Quartier wird zwar nicht komplett autofrei, aber autoarm und stellplatzfrei. Ausnahmen gibt es nur für Behindertenparkplätze. Nahezu das gesamte Wohnviertel wird durch Versenkpoller abgetrennt. Umzüge, Möbeleinkäufe u.ä. müssen beim Quartiermanagement angemeldet werden. Auch ein Unterparken der einzelnen Wohngebäude ist nicht geplant. Statt teurer Tiefgaragen soll es hinter der Feuerwache zwei oder drei Quartiersgaragen mit Sharing-Angeboten geben. Hier wäre auch ein Jugendhaus oder Stadtteilbegegnungszentrum möglich, sofern die Stadtkasse es erlaubt.
Kalkuliert wird mit einem Stellplatzschlüssel von 0,6 – nur etwa jeder zweite Haushalt dürfte demnach ein eigenes Auto besitzen. Die Anbindung an Bus, S- und Straßenbahn sowie den geplanten Radschnellweg von Warnemünde zum Hauptbahnhof soll den Verzicht aufs eigene Kfz erleichtern.
„Man braucht dort keine zwei Autos“, entgegnet Ralph Müller Befürchtungen, dass die künftigen Bewohner in umliegenden Straßen parken. Bei einem Wohngebiet, das für 100 Jahre geplant wird, müsse man an die Zukunft denken. Das Mobilitätsverhalten künftiger Generationen ändere sich. Letztlich entscheide jedoch die Bürgerschaft, es sei auch ein Stellplatzschlüssel von 0,8 möglich.
Stadtgrün und Regenwassermanagement
Das neue Wohnviertel wird nach den Prinzipien der Schwammstadt geplant. Anfallendes Regenwasser soll innerhalb des Viertels aufgefangen, zwischengespeichert und verzögert abgegeben werden.
Zwischen Quartiersgaragen und Wohnbebauung ist als Puffer und Übergang ein Wasser-Boulevard geplant. Ein offengelegter Retensionskanal soll das Regenwasser in diesem Bereich zurückhalten. Parallel zum Südring soll es zwischen Gewerbe- und Wohnbebauung einen Park-Boulevard mit unterirdischer Regenwasserableitung geben. Bei Starkregen wird das Wasser in den nördlichen Bereich abgeleitet, wo es vor den Bahnschienen einen Grüngürtel mit überflutbaren Bereichen gibt.
Auch die Dächer sollen als Wasserspeicher dienen: 80 Prozent der Dachfläche soll begrünt und mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet, die restlichen 20 Prozent als Terrassen genutzt werden. Bestandsbäume sollen – sofern möglich – erhalten und durch Neupflanzungen ergänzt werden.
Viel Kritik an den Plänen
Zur Vorstellung des Funktionsplans kamen gestern Abend viele Kleingärtner ins Rathaus, die eine grundsätzlich andere Haltung zu diesem Gebiet haben. Entsprechend hart fiel die Kritik aus. Biodiversität müsse man nicht künstlich per Dachbegrünung schaffen, da es am Groten Pohl bereits jetzt eine große Artenvielfalt gibt. Was wird aus den Wildtieren, die dort leben, fragte eine Teilnehmerin. Ralph Müller verwies auf Ausgleichsmaßnahmen und Umweltvorschriften, die eingehalten würden.
Der Stadtplaner machte allerdings auch deutlich, dass es einen klaren Auftrag der Bürgerschaft gibt, einen Bebauungsplan für den Groten Pohl aufzustellen. Wir brauchen dringend Wohnraum, so Müller. „Das ist ein integrierter, best-erschlossener Standort. Wenn wir dort nicht bauen, wo dann? Irgendwo am Stadtrand mit großen, teuren, aufwändigen Erschließungen?“
Wie geht es weiter?
Bereits seit 2016 läuft das Bebauungsplanverfahren für den Groten Pohl. 2018 lag der Entwurf aus, Mitte 2019 fiel die Entscheidung, einen Funktionsplan als zusätzliche Stufe zwischenzuschalten, um zu überprüfen, ob die ursprünglichen Planungen bzgl. Nutzungsintensität und -mischung, Mobilität oder Ökologie noch zeitgemäß sind, so Müller.
Im ersten Halbjahr 2024 soll der weiterentwickelte B-Plan ausgelegt werden, 2025 könnte der Satzungsbeschluss folgen und im Anschluss mit der Erschließung begonnen werden, blickt Müller voraus.
Visualisierung, Grafik: Architekturbüro Haas Cook Zemmrich/Studio 2050