„Gut gegen Nordwind“ in der Kleinen Komödie

Das auf Daniel Glattauers Roman basierende Stück feierte in der Kleinen Komödie in Warnemünde Premiere

6. März 2011, von

Wie viel Nähe braucht es, um Liebe zwischen zwei Menschen entstehen zu lassen? Im Fall von „Gut gegen Nordwind“ ist damit nicht nur die körperliche, sondern vor allem die räumliche Nähe gemeint. Können sich zwei Personen ineinander verlieben, obwohl sie sich noch nie gesehen oder tatsächlich gesprochen haben?

Emmi Rothner (Sandra-Uma Schmitz) schreibt eine E-Mail, um das unliebsam gewordene Abonnement der Zeitschrift „Like“ zu kündigen. Ihr rutscht allerdings ein „e“ mit hinein, sodass aus „Like“ ganz plötzlich „Leike“ wird. So landet ihre Mail nicht bei der Redaktion der Zeitschrift, sondern bei Leo Leike (Alexander Flache), einem Kommunikationswissenschaftler. Dieser antwortet zunächst nicht, was Emmi, die immer noch glaubt an die richtige Adresse zu schreiben, auf die Palme bringt. Leo ist gar nicht begeistert, irrtümlich von einer fremden Person beschimpft zu werden.

Sandra-Uma Schmitz und Alexander Flache in "Gut gegen Nordwind"
Sandra-Uma Schmitz und Alexander Flache in "Gut gegen Nordwind"

Nachdem das Missverständnis aufgeklärt ist, landen dann aber weitere E-Mails von Emmi in seinem Postfach. Bald entsteht daraus eine Korrespondenz, die zunächst noch distanziert bleibt, aber schnell eine gewisse Vertrautheit entstehen lässt. Dabei schreiben die beiden eigentlich nie über Persönliches und bekommen sich auch nie zu Gesicht. Trotzdem kommen nach und nach Gefühle auf, mit denen die beiden nicht gerechnet haben.

Die Frage, die sich immer wieder stellt, ist, ob sie sich sehen sollten oder nicht. Emmi ist eigentlich verheiratet und sieht die E-Mail-Bekanntschaft als ihre außereheliche Welt an, in der sie ganz sie selbst sein kann. Auf keinen Fall will sie irgendetwas tun, das ihr diese Welt entreißt. Eine gewisse Neugierde bleibt aber doch bestehen. So schlägt Leo ein Treffen vor, bei dem sie zur gleichen Zeit in einem Café sein werden, ohne zu wissen, wie der andere aussieht. So könne jeder sein eigenes im Kopf entstandenes Bild des anderen suchen, ohne die Distanz zu verlieren.

Sandra-Uma Schmitz und Alexander Flache
Sandra-Uma Schmitz und Alexander Flache

Die beiden müssen nach dem Treffen feststellen, dass sich ihr Interesse am jeweils anderen dadurch nicht gemindert hat. Im Gegenteil, die Spannung scheint sich sogar noch erhöht zu haben, jetzt wo sie eine Ahnung haben, wie die Menschen hinter den Computermonitoren aussehen. Das ändert aber nichts daran, dass Emmi verheiratet und somit nicht frei für Leo ist.

Das spannende an der Inszenierung ist, dass das Buch von Daniel Glattauer einzig und allein aus E-Mails besteht. Selbst das Treffen der beiden im Café wird erst im Nachhinein für den Leser greifbar, als sie in ihren Mails darüber schreiben. So stellte sich also im Vorfeld die Frage, wie das von Ulrike Zemme und Daniel Glattauer für die Bühne verfasst und von der Regisseurin Sonja Hilberger inszeniert werden würde.

Schon die Darstellung der entstehenden Bindung zwischen Leo und Emmi war dabei sehr gelungen. Die Texte, bei denen die beiden sich praktisch noch fremd waren, wurden aus dem Off gesprochen. Personen ohne Körper, die nichtssagende Texte schrieben, beziehungsweise vorlasen. Erst als dann durch ihre Art zu schreiben eine Vorstellung des jeweils anderen entstand, traten die Schauspieler auf die Bühne.

Alexander Flache und Sandra-Uma Schmitz
Alexander Flache und Sandra-Uma Schmitz

Der gesprochene Text bestand aus den E-Mails, die Daniel Glattauer in seinem Buch niedergeschrieben hatte. Die Schauspieler lasen diese aber nicht einfach nur vor. Sie passten Tonfall und Körperhaltung den Emotionen an, die in jeder E-Mail hintergründig vorhanden sind. Weil sich die beiden Schauspieler nie direkt ansahen, blieb der E-Mail-Charakter jedoch erhalten. Schließlich schreiben sich Emmi und Leo ihre Dialoge nur, ohne diese im eigentlichen Sinne auszusprechen.

Besonders das Treffen, das ja eigentlich erst im Nachhinein beschrieben wird, bekam durch die Schauspieler noch mal eine ganz andere Dimension. So spielten sie die in den E-Mails beschriebenen Momente nach, während sie diese vortrugen. Dass sie dafür durchs Publikum liefen, machte noch einmal deutlich, dass sie sich in der richtigen Welt befanden. Denn der Bühnenraum, der aus schwarzen Flächen mit Matrixmuster bestand, war der „luftleere Raum“, in dem sie sich während des Schreibens befanden.

„Ich bin total begeistert, wie man mit zwei Personen so eine Spannung aufbauen kann“, sagte Premieren-Zuschauerin Juliane, die durch ihre Fernbeziehung mit Freund Ralf selbst Erfahrung mit der „virtuellen Beziehungswelt“ gemacht hat. So konnten sich die beiden zumindest mit dem E-Mail schreiben identifizieren. „Aber wir wussten immerhin, wie wir aussehen“, stellte sie fest.

Wer vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht hat oder einfach nur neugierig geworden ist, der sollte sich auf jeden Fall eine Karte für „Gut gegen Nordwind“ besorgen. Aber auch allen, die das Buch schon gelesen haben, kann ich nur empfehlen, sich die Bühnenfassung anzusehen. Auch wenn man die Handlung schon kennt, gehen Witz und Spannung nicht verloren.

Weitere Vorstellungen finden am 17., 24. und 25. März und am 9. und 23. April um 20:00 Uhr in der Kleinen Komödie in Warnemünde statt. Weitere zwei Termine am 3. und 24. April finden jeweils um 16:00 Uhr statt.

Fotos: Dorit Gätjen, VTR

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