Land stellt Hochwasserschutz im Stadthafen infrage
Weil die Hochwasserschäden rund um den Rostocker Stadthafen kaum höher wären als die Kosten des geplanten Sturmflutschutzes, steht plötzlich alles auf der Kippe, auch die Buga 2025
24. September 2020, von Olaf
Eigentlich schien alles klar: Mecklenburg-Vorpommern zahlt für den Hochwasserschutz im Rostocker Stadthafen. Mehrkosten für eine schönere Flutschutzmauer oder alternative Geländeerhöhungen trägt anteilig die Stadt. Plötzlich stellt das Land die Finanzierung jedoch komplett in Frage, weil die erwarteten Hochwasserschäden im Verhältnis zu den Baukosten zu gering sind.
Kosten für Sturmflutschutz entsprechen den erwarteten Hochwasserschäden
Etwa 18 Millionen Euro würde das Schadenpotenzial betragen, wenn das Wasser im Stadthafen Rostock drei Meter über Normalhöhennull (NHN) steht. Dies erklärte Ines Liefke, Leiterin des Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg (StALU MM), heute Abend im Ausschuss für Stadt- und Regionalentwicklung. Ziemlich genau denselben Betrag müsste das Land investieren, um den Bereich vor solch einer schweren Sturmflut zu schützen.

Zu viel, findet das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, das als Fachaufsicht für das StALU zuständig ist. Damit stellt es den seit vielen Jahren geplanten Hochwasserschutz komplett infrage.
Zum Vergleich: In Warnemünde, wo Anfang des Jahres die neue Sturmflutschutzwand eingeweiht wurde, rechnete man mit einem Schadenspotenzial von 200 Mio. Euro, die Kosten lagen jedoch nur bei 20 Mio. Euro – ein Faktor von zehn, erläutert Liefke. „Hier ist der Wert 1:1. Die Fachaufsicht sagt, das reicht ihnen nicht aus, um hier überhaupt eine Vorsorge zu treffen.“
Zwar wurde das StALU vom Land mit einer „detaillierten Schadenspotentialermittlung nach Eintrittswahrscheinlichkeiten“ beauftragt, doch „was das bedeutet, werden wir dann sehen“, so Liefke. Dr. Lars Tiepolt, Dezernatsgruppenleiter im StALU rechnet zwar damit, dass die Schadensumme bei einer Einzelbetrachtung „durch die Decke geht“, doch bis Ergebnisse vorliegen, dürfte noch viel Wasser die Warnow herunterfließen.
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Sturmflutschutz bis zur Buga unrealistisch
Für Probleme sorgt die Verzögerung beim ohnehin eng kalkulierten Zeitplan für die Bundesgartenschau (Buga). Zusammen mit der Freiflächengestaltung sollte auch der Hochwasserschutz bis 2025 realisiert werden.
Das dürfte kaum noch einzuhalten sein. „Geplante Bauzeit: ca. 4 Jahre (01/2026 bis 12/2029)“ steht in roten Buchstaben quer über der Präsentation von Tiepolt. Doch das Gelände nach der Buga erneut aufzureißen, wünscht sich niemand.
Kosten für Sturmflutschutz deutlich höher als 18 Mio. Euro
Muss Rostock die Kosten für den Sturmflutschutz komplett selbst tragen, kommen auf die Stadt wesentlich mehr als die vom StALU veranschlagten 18 Mio. Euro zu. Dafür würde es wohl nur eine „farbbeschichtete Spundwand“ geben.
Vor allem auf der Haedgehalbinsel und am Christinenhafen möchte die Stadt jedoch komplett auf eine Mauer verzichten. Dort, wo zur Buga 2025 Markthalle und Warnow-Brücke sowie später das Archäologische Landesmuseum geplant sind, soll das Gelände durch Aufschüttungen erhöht werden. Mit städtebaulichen Wettbewerben sollen hierfür Ideen gesucht werden – die Zeit drängt.
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Diskussion um Höhe der Sturmflutschutzmauer
Selbst wenn der Sturmflutschutz im Stadthafen gebaut wird, steht dessen Höhe noch nicht fest. Der Meeresspiegel steigt und bislang ging man von einem Klimazuschlag in Höhe von 0,50 Meter für 100 Jahre aus. Zusammen mit dem statistisch alle 200 Jahre auftretenden Referenzhochwasser von 2,50 Meter über Normalhöhennull (NHN) und einem Mindestfreibord von 0,20 Meter für den Wellengang war eine Konstruktionsoberkante von 3,20 Meter über NHN geplant.
Jetzt ist ein „Vorsorgemaß“ in der Diskussion, erklärt Tiepolt. Nach neuesten Annahmen geht der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) bis 2100 von 0,84 Meter aus, das zukünftige Vorsorgemaß bis 2120 (für 100 Jahre) beträgt einen Meter. Die Konstruktionsoberkante würde damit bei 3,54 Meter bzw. sogar 3,70 liegen.

Man könnte die Flutschutzmauer allerdings wie in Warnemünde modular aufbauen, sodass sie in 40 Jahren aufgestockt werden kann, erläutert Tiepolt. Nicht möglich ist dies jedoch bei Geländeaufschüttungen, die bebaut werden sollen. Am Christinenhafen plant die Stadt daher bei den Wettbewerben bereits mit einer Höhe von 3,54 Meter.
Angst vor einer mehr als drei Meter hohen Spundwand muss allerdings niemand haben, da die Kaikante bereits entsprechend hoch über der Wasserlinie liegt, so Tiepolt. Die durchschnittliche Ansichtshöhe beträgt trotzdem immerhin noch 1,28 Meter. Auf Höhe der Friedrichstraße liegt sie sogar bei 1,87 Meter – drüber schauen kann man dort nicht mehr.
Aktualisierung, 25.09.2020:
Laut Stadtverwaltung gefährdet die gestrige Positionierung des StALU die BUGA-Planungen nicht. Die Rahmenbedingungen für den Realisierungswettbewerb zur Planung für das Stadthafen-Areal enthalten nur zu einem geringen Teil auch Hochwasserschutz-Anforderungen, erklärt der Fachbereich Buga. Darüber hinaus sind Finanzen für den Hochwasserschutz keine wesentliche Säule der Buga-Finanzierung und können durchaus kompensiert werden.
Dennoch bleibe das Ziel bestehen, den Hochwasserschutz bei der Neugestaltung des Stadthafens entsprechend zu berücksichtigen.