Jennifer & Keziban - Winter in Rostock

Wintermärchen oder Ausnahmezustand in der Hansestadt

31. Januar 2010, von
Der Neue Markt, vom Schnee begraben
Der Neue Markt, vom Schnee begraben

Na das war ja eine Überraschung. Gegen Mitte der letzten Januarwoche ließen Plusgrade und Tauwetter uns noch auf besseres Wetter oder gar den vorzeitigen Frühlingsbeginn hoffen. Alles, selbst diesen ekligen Schneematsch, hätten wir (wenigstens vorübergehend) ertragen, wenn damit endlich das Ende der Eiszeit eingeläutet worden und die weißen Massen verschwunden wären.

Aber nein, ganz hinterhältig und ausgerechnet zum Wochenende erreicht das Schneechaos auch unsere schöne Hansestadt. Dabei fing es zunächst noch ganz harmlos und unauffällig an. Als ich am späten Freitagabend (oder Samstagmorgen?) gut gelaunt aus der Pumpe kam, war der Schnee unter den Stiefeln zwar schon unangenehm hoch angestiegen, aber immer noch gut zu bewältigen. Deutlich ungemütlicher war da schon der massive Schneefall, der von allen Seiten und ganz besonders gern von vorne kam. Aber soweit noch kein größeres Problem.

Eisige Aussichten für Passagiere der Bahn
Eisige Aussichten für Passagiere der Bahn

Am Samstag sollte eigentlich ein regelrechter Veranstaltungsmarathon stattfinden, beginnend mit der Eröffnung des Hallensportfestes und endend mit Programmpunkten des Spiellustfestivals auf der Bühne 602. Während sich der Rest der Reutershägener Bevölkerung noch im Tiefschlaf befand, machte ich mich also auf den Weg zur Bushaltestelle. Das war jedenfalls der Plan.

Kaum war ich jedoch aus der Haustür getreten, steckte ich mit beiden Beinen auch schon tief im Schnee fest. Hinzu kam, dass ein älterer Herr direkt vor mir auf der Straße stand und meinen passiven Schlafzustand mit seinen aufgeregten Worten unterbrach.

Fischkutter am zugefrorenen Alten Strom
Fischkutter am zugefrorenen Alten Strom

Sein Auto hätte sich mitten auf unserer kleinen aber mächtig eingeschneiten Straße festgefahren und es gäbe kein vor und zurück mehr. Da konnte ich leider auch nichts machen, ich riet ihm aber, sich im beheizten Auto noch etwas zu gedulden, bis mehr tatkräftige Anwohner aufgewacht wären. Ein sehr hilfreicher Hinweis, ich weiß.

Winterwetter an der Mole
Winterwetter an der Mole

Dass es damit aber nicht genug war, sollte ich noch früh genug erfahren. Keine hundert Meter vom schützenden warmen Heim entfernt, steckte ich fast knietief im Schnee fest und versuchte so mühsam vorwärts zu kommen. Völlig entnervt und halb entkräftet bekam ich schließlich die weise Eingebung, lieber auf der Straße zu laufen, wo der Schnee nur halb so tief (aber immer noch überknöchelhoch) war. Die nächsten zweihundert Meter waren ein einschneidendes Erlebnis, das ich wohl niemals vergessen werde. Jeder, der in einem Alptraum schon mal weglaufen wollte, aber aus irgendeinem Grund nicht vorwärts kommt, wird dies bestens nachempfinden können.

Gefühlte zwei Stunden später hatte ich endlich die Bushaltestelle, diese blühende Oase in der Wüste, erreicht. Viel Verkehr gab es ja nicht auf den Straßen, zu der frühen Zeit aber auch noch nicht weiter verwunderlich. Nach wenigen Minuten kam allerdings ein junger Mann auf mich zu, der mir völlig außer Atem mitteilte, dass wegen des Wetters keine Busse und Bahnen fuhren. In dem Moment erlag die Freude, wieder ins Bett steigen zu dürfen, leider der Vorahnung auf den beschwerlichen Heimweg.

Zauberhafte Eiszapfen an der Mole in Warnemünde
Zauberhafte Eiszapfen an der Mole in Warnemünde

Den ganzen Samstag über hat das Schneechaos es fertig gebracht, das gesamte Netz der RSAG lahm zu legen. Protestmärsche mit bunten Bannern statt Schneemassen hätten bei dem gleichen Ergebnis sicher endlich mal zu einer Preisminderung der Fahrkarten geführt, so aber mussten sich Busfahrer wie Passagiere gleichermaßen ärgern. Da durch das landesweite Schneetreiben nicht nur der Nahverkehr, sondern auch ein Großteil meiner geplanten Veranstaltungen ausfiel, durfte ich das Unwetter gemütlich von zu Hause aus beobachten. Auf das Hallensportfest dürfen wir uns dann hoffentlich in der nächsten Woche freuen.

Schneebedeckter Warnemünder Strand
Schneebedeckter Warnemünder Strand

Die Schneemassen sind ja irgendwie schon ’ne Wucht. Wer hat in unseren nördlichen Breiten jemals so viel davon auf einmal gesehen? Heute in der Straßenbahn (ja sie fährt wieder… vereinzelt jedenfalls) hat mir eine nette alte Dame erzählt, dass sie das letzte Mal ’78/79 so einen Winter erlebt hat, aber mit bei weitem nicht so viel Schnee. So langsam weiß man ja auch gar nicht mehr, wohin mit dem ganzen Zeug. Es fließt ja nicht einfach ins Gulli ab. Mein Vorschlag zur Lösung dieses Problems: ganz Rostock baut gemeinsam auf dem Uniplatz eine riesige Schneepyramide und beerdigt darin symbolisch den Winter. In welcher Gestalt er in der Schneepyramide seine letzte Ruhe finden soll, könnt ihr euch ja noch überlegen.

Fischkutter im Eis des Alten Stroms
Fischkutter im Eis des Alten Stroms

Doch nicht nur in der Innenstadt und ihrer Umgebung hat sich Tief „Jennifer“ so richtig ausgeschneit, auch Warnemünde ist von dem plötzlichen Wettereinbruch betroffen. Der Alte Strom wurde in eine fantastische Eislandschaft verwandelt, in der die Fischkutter reglos und mit riesigen Eiszapfen geschmückt gefangen gehalten werden. Die Eisbahn zieht sich bis zur Mole hin, wo der Weg eher einer Schlitterpartie gleicht, aber durchaus abenteuerlich erscheint und den Mutigen mit grandiosen Fotos belohnt.

Wer jetzt glaubt, dass „Jennifer“ wie die vergleichsweise harmlose „Daisy“ kommende Woche für Schulfrei sorgt, muss leider enttäuscht werden. Scheinbar hat unser Land MV beschlossen, dass es dieses Jahr schon genug Schulausfall dank Schneegestöber gab und setzt diese Maßnahme jetzt bedachter ein. Vielleicht gibt es für den Bau der Schneepyramide ja für alle einen freien Tag…

PS: Auch wenn das Bildungsministerium des Landes extra eine Pressemitteilung herausgegeben hat, die besagt, dass der Unterricht im Land morgen planmäßig stattfindet, dürfen sich einige Schüler doch freuen. Zumindest der Landkreis Bad Doberan verlängert das Wochenende für einzelne Schulen in Sanitz, Rövershagen und Graal-Müritz.

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