Wieviel Kreuzschifffahrttourismus verträgt Warnemünde?

Die Ergebnisse einer Verträglichkeitsuntersuchung zur Kreuzschifffahrt in Rostock-Warnemünde fließen in den Masterplan Seekanal ein

14. Juni 2018, von
Verträglichkeitsstudie zur Kreuzschifffahrt in Warnemünde fließt in den Masterplan Seekanal ein. (Foto: Archiv)
Verträglichkeitsstudie zur Kreuzschifffahrt in Warnemünde fließt in den Masterplan Seekanal ein. (Foto: Archiv)

Wenn an einem sonnig-warmen Sommerferienwochenende Warnemünde mal wieder richtig brummt, Straßen, Geschäfte und Restaurants überfüllt erscheinen, Lärm die Ruhe stört und sich lange Warteschlagen im ausverkauften Supermarkt bilden, und dann auch noch die Maschinen von drei Kreuzfahrtschiffen am Passagierkai laufen, ist das Stöhnen über die boomende Kreuzschifffahrtbranche unüberhörbar. „Wir sind durchaus kreuzfahrtfreundlich. Aber wir sagen: Irgendwo muss auch eine Belastungsgrenze für die Anwohner und für die Urlauber, die nicht Kreuzfahrttouristen sind, sein“, erklärt Ortsbeiratsvorsitzender Alexander Prechtel die hin und wieder angespannte Stimmungslage im beliebten Ostseebad.

„Der Teil der Kreuzfahrttouristen ist ein extrem kleiner Teil des Problems, aber deutlicher sichtbar, weil er pulkartig auftaucht“, hat hingegen Heiko Wenzel nun in einer Untersuchung festgestellt. Seine Beraterfirma CPL aus Rostock hat eine Verträglichkeitsuntersuchung zur Kreuzschifffahrt in Warnemünde erstellt. Sie ist der erste Teil des Masterplans Seekanal, der gestern auf der Ortbeiratssitzung vorgestellt wurde. Er schafft die Grundlagen für die räumliche Planung, die das Stadtplanungsamt in einem zweiten Teil umsetzen will. Die Ergebnisse dieses Arbeitsschrittes sollen noch in diesem Jahr ebenfalls im Ortsbeirat vorgestellt werden, kündigt Stadtplanerin Anja Epper an. Dann gehe es konkret darum, was zwischen Werftbecken, Mittelmole und Ortseingang sinnvoll sei.

Die Aufgabe der Verträglichkeitsuntersuchung war es zunächst die touristische Entwicklung des Ortes in Bezug zur Kreuzschifffahrt einzuordnen. Sie befasste sich mit Fragen wie: Welche Einflussfaktoren haben welche Auswirkung? Was passiert mit steigenden Schiffs- und Passagierzahlen? Wie können größer werdende Schiffe gehändelt werden? Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf Einwohner und andere Touristen? Was ist notwendig, um negative Effekte der Kreuzfahrt zu vermeiden, positive zu stärken und ab welchen Punkt ist Warnemünde in Gefahr?

Nicht Bestandteil dieser Verträglichkeitsuntersuchung sind die Emissionen: Schall, Feinstaub usw. „Dies ist bewusst der Planfeststellung, die wir beginnen werden, vorbehalten“, so der Hinweis von Anja Epper.

Eine Grundlage für die Untersuchung war der Hafenentwicklungsplan, inklusive einer Prognose der Kreuzschifffahrtentwicklung in Rostock, die 2015 erstellt wurde. Angesichts der rasanten Entwicklung bei Passagierzahlen und Schiffsgrößen sowie einem Run auf sichere Häfen, sei die hier für 2030 vorhergesagte Anzahl von 932.000 Passagieren sehr plausibel, schätzt Heiko Wenzel ein. Zum Vergleich: 2017 wurden 641.000 Kreuzfahrtgäste sowie 50.000 Crewmitglieder auf Landgang gezählt.

Doch wird Warnemünde diese steigende Zahl verkraften können? Wie gehen eigentlich andere Kreuzfahrthäfen mit dem Problem wachsender Gästezahlen und damit verbundenen Überfüllungserscheinungen um? Ein Blick in eine sich damit beschäftigende Tourismuscrowdingstudie zeigt, so Wenzel: Unter 35 betrachteten europäischen Kreuzfahrthäfen ist Warnemünde so ziemlich einzigartig. Maßnahmen daher nur beschränkt übertragbar. Das Besondere nämlich sei, dass das Ostseebad selbst sehr attraktiv sei: Ein Drittel der Kreuzfahrer bleibt in Warnemünde. Andererseits habe es auch ein sehr attraktives Hinterland. So würde etwa ein Drittel nach Berlin weiterreisen und das andere Drittel Ausflüge in die Umgebung zwischen Lübeck und Stralsund machen. Außerdem sei der Anteil der Tagesgäste auf den Kreuzfahrtschiffen mit 39 Prozent eher klein. 61 Prozent seien Wechselpassagiere. Eine Begrenzung der Passagieranläufe oder eine zeitliche Entzerrung sei deshalb jedenfalls keine ausreichende Lösung.

Stattdessen empfiehlt er die räumliche Entzerrung. Schiffe, mit einem großen Teil von Passagieren, die mit dem Bus weiterfahren wollen, sollen im Überseehafen ankommen. Kleinere Schiffe können in den Stadthafen weiterfahren.

Viel versprechen sich die Planer auch vom neuen Terminal am Werftbecken. Der Liegeplatz, werde anders als ursprünglich angedacht, nun direkt am Fahrwasser des Seekanals geplant, sodass auch größere Schiffe keine nautischen Schwierigkeiten bekommen dürften, sagt Gunar Abend vom Amt für Verkehrsanlagen. Hier soll sich die ganze Logistik konzentrieren, sodass die Lieferanten gar nicht erst soweit in den Ort reinfahren müssen.

Die Mittelmole soll trotz steigender Passagierzahlen entlastet werden, so das Ziel nach den Vorschlägen von Heiko Wenzel. Andererseits könnte sie mit attraktiven Angeboten auch an der Nordspitze Auffangbecken und damit Entlastung für den Ortskern sein, beispielsweise durch einen interessanten Platz, Shoppingmöglichkeiten oder andere besondere Anlaufpunkte. Dem stehen jedoch die derzeitigen Wohnbebauungspläne der WIRO auf dieser Fläche im Wege, kritisiert Ortsbeiratsmitglied Helge Bothur. Die von der Stadt vorgesehene Funktion widerspreche der Empfehlung der von der Stadt beauftragten Verträglichskeitsuntersuchung.

Zum Problem der überfüllten Bahnhofsbrücke sagt Wenzel: „Wir empfehlen dringend eine weitere Querung über den Alten Strom, um die Touristenströme besser zu verteilen.“

Sein generelles Fazit: „Wir haben den Eindruck, dass in Warnemünde für Kreuzfahrttouristen weniger gemacht wird, als sie eigentlich einbringen.“

Der Untersuchungsleiter lieferte eine ganze Vielzahl von Anregungen, um die der Ortsbeirat seit Jahren kämpft, zeigte sich Alexander Prechtel von den Ergebnissen der Verträglichkeitsuntersuchung bestätigt. „Fehlendes W-Lan, fehlende Toiletten, Verlagerung nach Süden, um das Ganze zu entzerren, eine Brücke am Südende des Alten Stromes. Das sind Dinge, die seit Jahren im Ortsbeirat befürwortet werden. Die Untersuchung ist ein guter Einstieg, sodass man weiß, wo die Probleme liegen.“

Hans-Joachim Richert vom Warnemünder Verein sieht die Planungsansätze kritisch: „Wirtschaft und Umsatz stehen an erster Stelle. Dann kommt ganz viel schlechte Luft und zum Schluss erst der Mensch.“

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