Podiumsdiskussion „Nach den Kommunalwahlen“
Fraktionsvertreter stehen Rostocker Bürgern Rede und Antwort
4. März 2010, von Daniela
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Vor der nächsten Wahl, versteht sich. Anhand erschreckender Wahlprognosen für die bevorstehenden NRW-Wahlen dürfte dies dem einen oder anderen Politiker gerade wieder bewusst werden.
Interessanter dürfte allerdings die Frage sein, was nach dem Urnengang von den Wahlversprechen übrig bleibt. Nach der Wahl ist vor der Wahl? Oder doch eher: gerade versprochen und schon gebrochen.
Um diese Thematik zu diskutieren, lud der Verein Europäisches Integrationszentrum Rostock (EIZ) am Dienstagabend zu einer Podiumsdiskussion zwischen Bürgern und Bürgervertretern ein.
In den Räumlichkeiten der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Rostock konnten die Fraktionsvertreter der Bürgerschaft unter dem Motto „Nach den Kommunalwahlen“ Bilanz ziehen und den Rostockern Rede und Antwort stehen. Bereits im Mai hatte das EIZ ein „Diskussionsforum Kommunalwahlen“ organisiert – nun, nach den Wahlen, stand die Folgeveranstaltung an.
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Die Diskussion wurde von Bernd Kalauch vom NDR moderiert und zeitlich sowie thematisch eingegrenzt. Auch wenn sich die Redner nicht immer einig waren, ging es hier doch weniger chaotisch zu, als es manchmal bei Anne Will & Co. der Fall ist.
Als Vertreter der Parteien waren anwesend: Dr. Ingrid Bacher – CDU, Johann-Georg Jaeger – Bündnis 90/Die Grünen, Frank Giesen – CDU, Dr. Sybille Bachmann – Rostocker Bund, Christine Lehnert – SAV, Steffen Bockhahn – die Linke und Thomas Asendorf – FDP. Rüdiger Reuschel, der Vertreter des Bündnisses FÜR Rostock, konnte den Termin leider nicht wahrnehmen.
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Zunächst hatte jeder der Vertreter ein paar Minuten Zeit für ein zusammenfassendes Statement. Es sollten die folgenden Fragen beantwortet werden „Was stand in den Parteiprogrammen? Was war geplant? Was konnte umgesetzt werden?“
Dabei wollte man sich Themen nähern wie dem kommunalen Eigentum, Sozialabbau, Bildung und Kultur und der Frage danach, was aus der Rostocker Werft werden soll.
Die Abgeordneten der SPD, FDP und Grünen waren sich – man mag es kaum glauben – über eine gute Zusammenarbeit der verschiedenen Fraktionen einig. Dem konnte sich Christine Lehnert von der SAV allerdings nicht anschließen, da sie von Seiten der anderen Parteien immer wieder mit enormen Gegenwind zu kämpfen hätte. Sie wundere sich auch darüber, wie Vorschläge ihrer Partei teilweise ignoriert werden, um später dann von den konservativen und gemäßigten Parteien recycelt zu werden. Dasselbe Thema kritisierte auch Steffen Bockhahn von den Linken.
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Wirkliche Einigkeit herrschte jedoch über die Tatsache, dass schlicht und ergreifend kein Geld da ist. Der Haushalt der Stadt befindet sich in einem weniger guten Zustand und lässt kaum Spielraum für größere Projekte und Investitionen.
Es gelte Einnahmen zu erhöhen, Ausgaben so weit wie möglich zu begrenzen und Schulden abzubauen. Trotzdem, so Christine Lehnert auch in Hinblick auf das Thema Sozial- und Kulturabbau, müsse man sich überlegen, was für eine Gesellschaft man sich leisten wolle.
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Die SPD will Schulden im Rahmen des Möglichen abbauen und den Sozialabbau mit Hilfe des Landes bekämpfen. Laut CDU bestünde noch Hoffnung, den Haushalt 2010 ausgeglichen abzuschließen. Bei Vereinen, die von der Rostocker Finanznot ja bekannterweise besonders betroffen sind, will man mehrere Institutionen zusammenfassen und entsprechend fördern, um so das „Gießkannenprinzip“ zu beenden. Denn momentan hätten viele Vereine in Rostock „zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig“.
Laut Thomas Asendorf sieht die FDP den Schuldenabbau als das zentrale Thema ihrer Arbeit und fragt, was die Stadt wirklich zur Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen kommunalen Leistungen braucht.
Offenbar steht man in der FDP auch dem Verkauf des sogenannten Tafelsilbers Rostocks, also von Stadtwerken, Klinik, und kommunalen Wohnungen, nicht unbedingt ablehnend gegenüber.
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Steffen Bockhahn von den Linken sprach sich hingegen konsequent dagegen aus. Auch die Grünen planen laut Johann Georg Jaeger keine kommunalen Verkäufe. Trotzdem muss sich die Stadt möglichst schnell Gedanken über moderne und zukunftstaugliche Konzepte machen, nicht nur was das Finanzproblem angeht. Dabei war man sich wieder relativ einig, dass es endlich zu einer besseren Kommunikation und Abstimmung zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalregierung kommen müsse. Oft würden Aufgaben und Belastungen großzügig an die kommunalen Verwaltungen weitergereicht, die finanziellen Mittel dafür fielen jedoch eher spärlich aus.
Der Fingerzeig auf Land und Bund fällt natürlich leicht, ob dieser tatsächlich die prekäre Haushaltssituation erklärt, sei dahingestellt. Ein sehr informativer Artikel zu der Problematik des Rostocker Haushalts findet sich übrigens bei brand eins.
So kam von der Ausgabenseite auch wieder einmal der Flughafen Rostock-Laage auf den Tisch. Schließen möchte ihn so richtig keiner, aber weniger Betrieb und damit geringere Zuschüsse dürften es für die Grünen schon sein. Ob diese Vorstellung angesichts hoher Fixkosten und dann noch unattraktiverer Flugverbindungen aufgeht, mag man kaum glauben. Am Besten wäre es ohnehin, das Land würde sich zu einem Landesflughafen in Laage bekennen und die Zuschüsse übernehmen, so der allgemeine Tenor.
Aus den Reihen der Zuschauer kam die Kritik, Rostock würde sich nicht genug außerhalb der Region vermarkten, zeige zu wenig innovative Finanzierungsmodelle auf und greife zu wenig Gelder aus EU-Förderprogrammen ab, auch bezogen auf die allgemeine Kulturlandschaft und einen möglichen Theater-Neubau.
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Diesen sehen die Abgeordneten mit viel Willenskraft und Glück bis 2018 entstehen. Dazu muss die Bürgerschaft sich allerdings zu einer eindeutigen Entscheidung durchringen und der Haushalt muss es zulassen. Fördergelder könne man erst dann in Anspruch nehmen, wenn die Entscheidung tatsächlich steht.
Bei der Frage der Zuschauer nach der Werft wurde noch einmal deutlich, dass die Bürgerschaft in gewisser Weise mit Rostocks OB Roland Methling auf Kriegsfuß steht. Dieser hatte sich wiederholt in der Öffentlichkeit geäußert, ohne Rücksprache mit den Wählervertretern zu halten und Versprechungen gemacht, die so einfach nicht umzusetzen sind. Auf jeden Fall soll verhindert werden, dass all die Werftarbeiter demnächst auf der Straße stehen und der Eigentümer die Möglichkeit hat, mit dem Werftgrundstück noch Immobilienspekulation zu betreiben, so Steffen Bockhahn. Man will sich nicht einfach so geschlagen geben, allgemein sieht die Zukunft der Werften im Land jedoch wenig rosig aus.
Generell hatte man den Eindruck, dass die Vertreter der einzelnen Fraktionen durchaus kompetente Arbeit leisten und konkrete Ideen haben. Nur scheint es letzten Endes an der Feinabstimmung untereinander zu liegen, wenn keine Einigung zustande kommt. Es sind wohl nicht alle Interessen unter einen Hut zu bekommen. Außerdem, so die Kritik aus dem Publikum, bliebe jede noch so kleine Entscheidung am Thema Haushalt hängen. Es gibt also immer noch viel zu tun für Rostocks Kommunalpolitik.