Rüdiger Fuchs: „Gombroman. Meine Dosis Polonium“
Der Rostocker Autor las im Peter-Weiss-Haus aus seinem neuen Buch
22. Februar 2011, von Luisa„Gombroman“, das ist nicht nur der Titel seines Buchs, sondern auch die Beschreibung des Autors selbst. Er sei gombroman, gibt Rüdiger Fuchs zu. Er habe sich fast schon manisch mit der Person Witold Gombrowicz beschäftigt. Fünf Jahre hat er damit verbracht, alles über den polnischen Autor herauszufinden und auf dessen Spuren zu wandeln. Herausgekommen ist ein Buch, das nicht so richtig ein Roman ist, aber eben doch ein bisschen. Der Autor selbst sagt, über die Form des Buches lasse sich streiten.
Rüdiger Fuchs begann seine Lesung mit dem ersten Kapitel seines Buches. In diesem erzählt er, wie er überhaupt zu Gombrowicz kam. Er sei in einer nächtlichen Sendung des Deutschlandfunks über diesen Namen gestolpert. Auch wenn nichts von dem Gesagten in seinem Gedächtnis geblieben war, so doch eine Vorstellung. Die Vorstellung, dass die Werke Gombrowiczs hermetisch seien. Es schien bereits eine große, nach außen abgeschlossene Fangemeinde zu geben, der Fuchs unter keinen Umständen beitreten wollte.
Sein Interesse aber blieb doch irgendwie bestehen und es reizte ihn herauszufinden, wie, nicht was, Gombrowicz schrieb. So habe er also immer wieder stichprobenartig in dessen Romane rein gelesen. Letztendlich muss der Stil dann ja doch eine gewisse Anziehungskraft auf ihn ausgeübt haben. Ansonsten hätte die gestrige Lesung im Peter-Weiss-Haus wahrscheinlich nicht stattgefunden.
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Nachdem Rüdiger Fuchs seinen ersten Ausschnitt beendet hatte, erzählte er ein wenig so über Gombrowicz. Dessen letzte Idee sei es gewesen, über Schmerz zu schreiben. Auch die darin auftretenden Personen hatte er bereits konzipiert. Ein Mann und eine Fliege. Bloß aufschreiben konnte er dies nicht mehr, da er vorher verstarb. Fuchs nutzte eben diese Idee als Inspiration für sein eigenes Werk. Nicht zuletzt das Titelbild – ein Mann mit einer übergroßen Fliege auf der Schulter – verrät genau diesen Hintergrund.
Inwieweit dieses Thema in seinem Buch auftaucht, verriet Fuchs mit dem nächsten Ausschnitt, den er vorlas. Er entführt die Zuhörer in das „Institut für Nachhaltige Bioökometrisch-genomodigitale Insektenforschung“, das er in der Geschichte in Rostock angesiedelt hat. Der Fliegenforscher Goldbach beschäftigt sich in diesem Institut mit der Sprache der Fliegen. Dem Zuhörer präsentierte Fuchs einen Fetzen aus dem alltäglichen Laborleben, in dem man fast teilhat an der „Sternstunde der Fliegenlinguistik“. Kern der Handlung rund um Goldbach ist jedoch eigentlich dessen Lektüre eines Textes, der sich mit Witold Gombrowicz beschäftigt.
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Die Erzählung über Goldbach macht aber nur einen Bruchteil des Buches aus. Weitere Elemente sind Reiseberichte von Fuchs, die dieser auf den Spuren von Gombrowicz verfasste. Der Autor selbst erzählte, dass, wenn man sich fünf Jahre mit einer Person beschäftige, man automatisch „immer Verknüpfungen mit allem, was einen umgibt“ suche. So fanden also auch die Gedanken des Autors über dies und jenes ihren Weg auf die Seiten seines Buches. So erfuhr der Zuhörer zum Beispiel etwas über Fuchs‘ Ansichten zur Plastikverpackung von Hardcover Büchern und den kuriosen Zusammenhang mit ihrem Wert. Besonders diese Erklärung entlockte dem Publikum den ein oder anderen Lacher. Abgesehen davon finden sich noch viele weitere Beobachtungen in „Gombroman“, die sicherlich auch alle durchaus komisch sind.
Die Prognose des Autors, es würden nach dem Lesen garantiert Fragen offenbleiben, kann ich nur teilweise zustimmen. Fakt ist, dass das Buch eine ungewöhnliche Fülle an Themen aufweist. Wie er selbst sagte, habe ihn diese Vielgestalt des Buches beim Auswählen der Kapitel in Schwierigkeiten gebracht. Damit es dem Leser etwas besser erginge, habe er sich eigens ein Leser-Leitsystem einfallen lassen. Jeder Bereich ist gekennzeichnet und so kann der Leser selbst entscheiden, ob er alles lesen möchte, oder nur ausgewählte Teile. Wer zum Beispiel keine Reiseberichte mag, könne diese einfach überspringen.
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Im anschließenden Gespräch mit Dr. Wolfgang Gabler vom Literaturhaus gibt er allerdings zu, dass der Leitfaden schon etwas ironisch gemeint war. Ihm als Autor wäre es natürlich am Liebsten, wenn das Buch von Anfang bis Ende in einem Stück gelesen würde. Außerdem habe er auch schon Rückmeldungen von Lesern bekommen, die die Benutzung des Leitfadens verwirrender fänden als die Lektüre in einem Stück.
Aufgabe des Gesprächs sollte vor allem die Beantwortung etwaiger offener Fragen sein, die ja prognostiziert wurden. Man hatte jedoch oft das Gefühl, dass die Interpretationen von Gabler weitergingen, als die eigentlichen Gedanken des Autors. So bescheinigte Wolfgang Gabler Fuchs dessen „vollkommene Kompromisslosigkeit in seiner ästhetischen Radikalität“. Diese würde seine Liebe zur Literatur sichtbar machen. Darauf sagte Rüdiger Fuchs nur: „So radikal bin ich gar nicht.“ Er fühle sich natürlich geschmeichelt, aber die Radikalität sei nicht geplant gewesen.
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Dem Zuhörer wurde im Laufe des Abends klar, dass es viele Parallelen zwischen Gombrowicz und Fuchs zu geben scheint. Nicht zuletzt auch wegen der gemeinsamen Abneigung gegen jegliche Regeln und Normen. Fuchs sagt über sich selbst, all die Dinge, die man beim Schreiben nicht tun sollte, reizten ihn besonders. Er tue grundsätzlich genau das Gegenteil, fast schon zwanghaft. So erklärt sich also auch die unkonventionelle Form seines Werkes.
Dem Leser jedenfalls wird das Buch, denke ich, eine Reihe an Lachern bescheren. Wer sich also von der Vielschichtigkeit noch nicht abgeschreckt fühlt und erfahren möchte, ob es Goldbach gelingt die Fliegensprache zu entschlüsseln, der sollte es unbedingt lesen. Als kleines Extra kann man auf der Internetseite des Charlatan-Verlags Fotos zu Rüdiger Fuchs Reiseberichten in Augenschein nehmen.