Rotorsegel auf Scandlines-Fähre „Berlin“ installiert

Nach der Scandlines-Hybridfähre „Copenhagen“ wurde jetzt auch das Schwesterschiff „Berlin“ mit einem 30 Meter hohen Norsepower-Rotorsegel zur Treibstoff- und CO2-Einsparung ausgerüstet

17. Mai 2022, von
Scandlines-Hybridfähre „Berlin“ auf ihrer ersten Fahrt mit dem Rotorsegel
Scandlines-Hybridfähre „Berlin“ auf ihrer ersten Fahrt mit dem Rotorsegel

Nein, es ist kein überdimensionierter Schornstein, der hoch über das Deck der Scandlines-Hybridfähre „Berlin“ thront. Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht danach aussieht, handelt es sich bei dem 30 Meter hohen Zylinder um ein Rotorsegel, das mit der Kraft des Windes Treibstoff spart und Emissionen verringert.

Vor zwei Jahren wurde bereits das Schwesterschiff „Copenhagen“ mit solch einem Rotorsegel von Norsepower ausgerüstet. Bislang konnte man die Scandlines-Zwillinge schon von weitem an dem markanten Aufbau unterscheiden. Das ist jetzt vorbei: Nachdem sich die erwartete CO2-Einsparung von vier bis fünf Prozent in der Praxis erfüllt hat, wurde das Rotorsegel gestern Nachmittag im Seehafen Rostock auch auf der „Berlin“ montiert. Das dafür notwendige Stahlfundament hatte die Fähre bereits vor einem Jahr beim planmäßigen Aufenthalt auf bei Remontowa-Werft im polnischen Danzig erhalten.

Scandlines-Fähre „Berlin“ mit installiertem Rotorsegel heute Morgen im Seehafen Rostock
Scandlines-Fähre „Berlin“ mit installiertem Rotorsegel heute Morgen im Seehafen Rostock

Rotorsegel nutzt Magnus-Effekt zum Vortrieb mittels Wind

Beim Norsepower-Rotorsegel handelt es sich um eine moderne Version des Flettner-Rotors, den Anton Flettner (1885 – 1961) bereits vor rund 100 Jahren als Schiffsantrieb patentieren ließ. Das Prinzip beruht auf dem Magnus-Effekt (Heinrich Gustav Magnus, 1802–1870): Trifft Wind auf einen in Rotation versetzten Zylinder, wird die Luft auf einer Seite beschleunigt und auf der gegenüberliegenden Seite abgebremst. Unter- und Überdruck erzeugen eine zusätzliche Kraft, die im rechten Winkel zur Windrichtung wirkt – bei seitlichen Winden in Fahrtrichtung des Schiffes.

Der Magnus-Effekt wird auch im Fußball genutzt. Versetzt ein Spieler den Ball beim Schuss in Rotation („anschneiden“), bewegt sich dieser auf einer krummen Kurve – idealerweise als „Bananenflanke“ direkt vors gegnerische Tor.

Das auf der Scandlines-Fähre installierte Norsepower-Rotorsegel ist 30 Meter hoch, hat einen Durchmesser von fünf Metern und wiegt rund 42 Tonnen. Ein Elektromotor versetzt den Zylinder in Rotation. Abhängig von Windrichtung und -geschwindigkeit wird die Drehzahl vollautomatisch angepasst, bis zu 180 Umdrehungen pro Minute sind möglich. Während der Revierfahrten vor Rostock und Gedser rotiert das Segel mit minimaler Drehzahl, um die volle Manövrierfähigkeit zu erhalten.

Den idealen Wirkungsgrad erreicht das Rotorsegel, wenn der Wind quer zur Fahrrichtung oder leicht von hinten weht. Auf der Nord-Süd-Route von Gedser nach Rostock ist dies aufgrund vorherrschender Westwinde überwiegend der Fall.

Die Scandlines-Fähren „Copenhagen“ (links) und „Berlin“ (rechts) fahren jetzt beide mit Rotorsegel
Die Scandlines-Fähren „Copenhagen“ (links) und „Berlin“ (rechts) fahren jetzt beide mit Rotorsegel

Flettner-Rotor bereits in den 1920er Jahren im Einsatz

Bereits Anfang der 1920er Jahre ließ Flettner den Dreimastschoner „Buckau“ mit zwei seiner Rotoren ausrüsten. Aufgrund des technischen Fortschritts bei Dampfmaschinen und Dieselmotoren fanden sie jedoch keine Verbreitung.

Erst in den letzten Jahren kam die Technologie als Zusatzantrieb bei Schiffen wieder zum Einsatz. So ließ der ostfriesische Windenergieanlagenhersteller Enercon das 130 Meter lange Frachtschiff „E-Ship 1“ 2010 mit vier Flettner-Rotoren ausrüsten.

Im Jahr 2018 erhielt das Fährschiff „Viking Grace“ ein 24 Meter hohes Norsepower-Rotorsegel. Auf der Linie Stockholm-Turku waren die Treibstoffeinsparungen allerdings nicht so hoch wie erhofft.

Neben dem Rotorsegel kombinieren die Hybridfähren „Berlin“ und „Copenhagen“ den traditionellen Dieselantrieb mit einem umweltfreundlichen Batterieantrieb.

Video von der ersten Fahrt der Scandlines-Fähre „Berlin“ mit installiertem Rotorsegel:

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