Schillers Räuber feiern Premiere im Theater im Stadthafen
Die Koproduktion von Volkstheater und Hochschule für Musik und Theater sorgte für ein volles Haus
26. Februar 2011, von LuisaDas Licht ist noch an und das Publikum in Gespräche vertieft, als man plötzlich lautes Trampeln hört. Auf einmal kommen alle elf Schauspieler vom Eingang hinter den Zuschauerplätzen hervor und drehen zwei Runden im Laufschritt.
„Erster Akt. Erste Szene. Franken. Saal im Moorischen Schloss“, kommt es aus allen elf Mündern gleichzeitig. Dann treten fünf von ihnen auf die Bühne, ziehen sich den Reißverschluss ihrer blauen Bundeswehr-Trainingsjacke bis ganz oben zu: „Franz“, erklären sie. Ein weiterer Schauspieler (Björn-Ole Blunck) tritt auf die Bühne und verkündet: „Der alte Moor“. So wird die erste Szene des Stücks „Die Räuber“ von Friedrich Schiller im Theater im Stadthafen eingeleitet.
Dass Franz keine positiven Gefühle seinem Bruder gegenüber hegt, wird dem Zuschauer schnell klar. Die fünf Karls spucken seinen Namen geradezu aus und wenden ihren Kopf in einer geringschätzigen Bewegung ab.
Eine Intrige bahnt sich an. Franz will seinen Bruder schnellstmöglich loswerden und seinen Vater lieber heute als morgen im Grab sehen. Erst dann kann er das Leben führen, das ihm seiner Meinung nach zusteht. Durch den Brief hofft er, beides zu erreichen. Er tut alles, um seinen großen Bruder wie eine Schande für die Familie dastehen zu lassen. Und tatsächlich, der Vater schenkt ihm Glauben und verstößt Karl. Franz hofft nun, dass der Kummer darüber der letzte Nagel zum väterlichen Sarg sein wird.
Franz‘ Plan trägt also zur Hälfte schon Früchte. Jetzt ist er zwar der einzige Sohn, aber noch kein Erbe. Ist sein Vater doch aus härterem Holz geschnitzt, als er zunächst angenommen hat? Der inszenierte Tod von Karl scheint der einzige Weg, ihm den letzten Stich zu versetzen. Mit Erfolg – so scheint es.
Franz wähnt sich am Ziel seiner Bemühungen. Denn nun ist auch Amalia frei, die eigentlich Karl liebt, und dieser sie. Er sieht seine Chance gekommen, sie ebenfalls an sich zu reißen. Doch sie währt sich mit Händen und Füßen. Auf keinen Fall wird sie ihren Karl aufgeben, sei er tot oder nicht.
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Währenddessen geht auch bei Karl nicht alles nach Plan. Die Handlungen seiner Räuberbande laufen immer weiter aus dem Ruder, weil sein Freund Spiegelberg in eine ganz andere Richtung arbeitet als er. „Stehlen, morden, huren, balgen heißt bei uns nur die Zeit zerstreun. Morgen hangen wir am Galgen, drum lasst uns heute lustig sein“, ist ihr neues Motto.
Zum Schluss heißt es für alle, aus ihren Taten die Konsequenzen zu ziehen und auch zu tragen. Dazu sei an dieser Stelle nur verraten, dass es eine Menge Tote gibt.
All das wird auf eine doch eher ungewöhnliche Weise inszeniert. Jeder Schauspieler schlüpfte im Laufe des Stücks in die verschiedensten Rollen. Zudem werden die Personen häufig durch eine ganze Gruppe dargestellt, die zumeist den Text im Chor vorbringt. Geschuldet ist das sicherlich der Fülle an Personen, die untergebracht werden mussten. Warum nicht einfach weniger Schauspieler genommen wurden, lässt sich jedoch ganz einfach erklären.
Hier liegt vielleicht auch die Wahl der Kostüme begründet. Alle tragen einen originalen, blauen Bundeswehrtrainingsanzug. Dieser kann mit ganz einfachen Mitteln umgewandelt werden, um aus einer uniformen Masse einzelne Charaktere herauszuarbeiten. So lässt sich Franz daran erkennen, dass er die Jacke bis ganz oben zuzieht. Der alte Moor hat sie zum Teil geöffnet, Karl komplett. Die Räuber tragen eine Mütze und Amalie trägt offene Haare.
Während der alte Moor immer von Björn-Ole Blunck verkörpert wird, kann man den Jungschauspielern der HMT keine einzelne Rolle zuweisen. Jeder verkörpert im Laufe des Stücks jeden, zumindest was die männlichen Rollen angeht. Amalia bleibt ganz den fünf Studentinnen vorbehalten. Außerdem wurde Spiegelberg kurzerhand ebenfalls zu einer Frauenrolle gemacht. Wie hätte man das auch anders lösen sollen, ist doch laut Schiller nur eine Frauenrolle zu vergeben.
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Wem das bisher alles zu modern klingt, dem sei gesagt, dass zumindest an den Großteil des Textes keine Hand angelegt wurde. Außer ein paar kleinen Einkürzungen und einigen kleinen Änderungen kann man die volle Pracht von Schillers Sprache erleben. Ich für meinen Teil fand es jedenfalls sehr gelungen.
Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, wie sich die Jungschauspieler schlagen, der kann sich eine von weiteren sechs Vorstellungen ansehen. Diese werden am 1., 3. und 5. März, sowie am 7., 14. und 20. April stattfinden. Über etwaige Änderungen der Spielstätte kann man sich auf der Homepage des Volkstheaters informieren.