Theater am Ring zeigt „Stachelbären beißen nicht“
Schriftsteller in Durchgangszimmern – Premiere an der Bühne 602
13. Oktober 2012, von Andre
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Was passiert, wenn die Streitenden Schriftsteller sind, zeigt „Stachelbären beißen nicht“, das neue Stück vom Theater am Ring, das am Donnerstag an der Bühne 602 seine Uraufführung feierte. Nachdem an der letzten große Premiere, „Me and my boy“, noch fast 30 Schauspieler beteiligt waren, setzt die Theatergruppe nun auf einen etwas kleineren Rahmen: Zwei Hauptfiguren, zwei Nebenrollen, zwei Wodkaflaschen und ein Durchgangszimmer – jedoch mit zwei Schlüsseln – mehr braucht es nicht.

Der Raum, zu dem die zwei Schlüssel gehören und in dem das gesamte Bühnengeschehen abläuft, befindet sich in einem Gasthaus mitten in der mecklenburgischen Provinz. Nur zwei Seelen hat es dorthin verschlagen, den Dokumentarfilmer Justus Klaus (Toni Madel) und den Rezeptexperten Waldemar Wirtz (Torsten Malter). Beide sollen angehende Schriftsteller in einer Schreibwerkstatt unterrichten, doch dazu kommt es nicht.
Denn die Schriftsteller teilen mehr als nur das harte Bett. Nach und nach lernen sich Justus und Waldemar kennen und finden heraus, dass mehr als nur die Schreibwerkstatt hinter ihrem Besuch in Mecklenburg steckt. Dabei nimmt die Geschichte einige überraschende Wendungen bis schließlich klar wird, dass …

Naja, eigentlich ist das alles gar nicht so klar. Ob wirklich jemand umgebracht werden soll, ob der Wodka nur Fassade ist und was es mit dem mysteriösen Bestsellerautor Emanuel von Weitling auf sich hat, wird nur angedeutet. Dabei passiert in dem Kammerspiel aber so viel, dass es nicht ganz leicht fällt, den Überblick zu behalten. Wenn man dann auch noch das Motto des Stückes in Betracht zieht – „Alle Schriftsteller sind Lügner“ – kommt man fast nicht drum herum, die Stachelbären ein zweites Mal zu schauen, um die Rätsel zu lösen.
Das ist auch gar nicht schlimm, denn die Rolle des Justus Klaus ist doppelt besetzt. Am kommenden Sonntag übernimmt Karsten Voigt die Rolle. Theaterleiter Torsten Malter schwärmt von der Arbeit mit den beiden Schauspielern: „Zwar gab es eine grobe Vorgabe für die Geschichte, richtig vorangebracht haben uns aber die gemeinsamen Proben, in denen alle zusammen viele Ideen entwickelt haben.“

Neben den spielfreudigen Protagonisten, die auch kleinere Patzer mit einem Lächeln charmant überspielten, müssen auch Lisa Heeg und Benjamin Krahn lobend erwähnt werden. Beide spielen die Landbevölkerung – runtergekommen und fast sprachlos – und besonders Benjamin Krahn, der über fünf Minuten alleine auf der Bühne ist, ohne einen Ton zu sagen, sorgte für Gelächter und Erstaunen gleichermaßen.
„Stachelbären beißen nicht“ mischt gekonnt verschiedene Genres. Ein bisschen Krimi, ein bisschen Freundschaft und viel Humor ergeben ein sehr symphatisches und intelligentes Kammerspiel. Damit fällt der Auftakt der Spielzeit 2012/13 des Theaters am Ring zwar etwas leiser, nicht aber weniger unterhaltsamer aus als sonst. Ende des Monats steht dann wieder das volle Ensemble bei der Wiederaufnahme von Schillers „Die Räuber“ auf der Bühne.