Tag des offenen Denkmals: Ständehaus und Koßfelderstr.11
Denkmalgeschützte Gebäude aus dem 19. Jahrhundert und anderen Epochen öffnen ihre Türen
12. September 2011, von Stefanie
Stau in der Koßfelderstraße! Vor der Hausnummer 11 reihen sich die Menschen. In der prallen Sonne stehend warten sie geduldig auf Einlass. Denn hinter der schlichten klassizistischen, blassblauen Fassade, so viel ahnen sie schon, verbirgt sich eine wahre Pracht der Innenausstattung. Den gestrigen Tag des offenen Denkmals nutzten sie, um Einblick in das ansonsten verschlossene Haus zu erhalten. Etwa 800 Gäste werden von zehn Uhr bis zum Nachmittag durch den prunkvoll ausgestatteten Flur geleitet, schätzt die Organisatorin des diesjährigen Rostocker Tages des offenen Denkmals Uta Jahnke.
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Die Denkmalpflegerin ist eine der beiden Gruppenleiterinnen, die den neugierigen Besuchern Details und Hintergründe des Hauses näherbringt. Die andere ist Anna Dettweiler. Bereits als Kind hat sie mit ihrer Mutter und den beiden Geschwistern hier gewohnt. Sie erinnert sich noch gut an den Anblick der Trümmer 1946. Da war sie fünf Jahre alt. Nachdem sie Rostock 1956 in Richtung Hamburg verlassen hatte, ist sie zurückgekehrt und bewohnt nun wieder einen Teil des Hauses.
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Mittlerweile gleicht hier wieder vieles dem Zustand, wie er von Friedrich Groth erschaffen wurde. Der Rechtsanwalt lebte von 1870 bis 1910 in dem Wohnhaus, dessen Ursprünge vermutlich bis ins 16. und 17. Jahrhundert zurückreichen. 1875 wurde der palaisartige Wohnsitz geteilt. Der südliche und mittige Teil des damals schon etwas maroden Hauses wurde abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt. Der rechte Teil wurde umgebaut und so hergerichtet, wie er heute zu sehen ist.
Beeinflusst vom damalig vorherrschenden Historismus trug Friedrich Groth eine bemerkenswerte Innenausstattung zusammen. Während anderswo die alten Stile jedoch nur nachgeahmt wurden, sind in der Koßfelderstraße 11 einige Stücke tatsächlich Originale und bis auf das 16. Jahrhundert zurückzudatieren.

Wie zum Beispiel die Delfter Kacheln, die eine Wand und einen Ofen im Eingangsbereich schmücken. Der Heizkörper musste in diesem Sommer abgerissen werden, weil er von unten her verbröselte, erzählt Anna Dettweiler. Ein neues Fundament soll ihn nun vor aufsteigender Feuchtigkeit schützen, sodass seine barocken Säulen und das Dach aus schwerer Eiche wieder im alten Glanz erstrahlen.
Auch die imposant geschnitzten Holztüren ziehen die Blicke der Besucher auf sich. Anna Dettweiler erklärt, dass die Türen zwar neu seien, die Schnitzereien, die Engel und Girlanden jedoch alt. Bis auf einige Ausnahmen, wo Restauratoren verloren gegangene durch neue Schnitzereien ersetzten. Nicht immer zur Freude der professionellen Denkmalschützer, wie die Bewohnerin durchblicken lässt.
Aber was tut man nicht alles für beeindruckende Schönheit und Harmonie.
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Nach diesem Prinzip scheint auch das Ständehaus am Rosengarten gestaltet worden zu sein. 1893 fertiggestellt, zeigt es „eine Formenfülle … mehr geht eigentlich nicht“, staunt Stadtkonservator Peter Writschan. „Hier ist wirklich aus den ganzen Möglichkeiten der damaligen Architektur und des Kunsthandwerkes geschöpft worden.“
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Verantwortlich für die Gestaltung war der Architekt Gotthilf Möckel. Durch seine Tätigkeiten im Kirchenbau – er ließ das Doberaner Münster und die Rostocker Universitätskirche sanieren – hatte er reichlich Erfahrungen mit dem gotischen Stil. Ein Stil, den sich auch die eher konservativen mecklenburgischen Stände für das Versammlungshaus ihrer Vertreter in Rostock wünschten. Es sollte ihre Macht symbolisieren, als Gegengewicht, um ihre Interessen gegenüber dem Herzog in Schwerin durchzusetzen.
Balkon und Erker lassen an der Fassade erkennen, dass der Architekt auch auf Gestaltungsmittel der Renaissance zurückgriff. Im Inneren des prachtvollen Gebäudes dominiert jedoch die relativ sakrale Atmosphäre, die die gotischen Elemente ausstrahlen. Davon konnten sich auch die Besucher des Tages des offenen Denkmals überzeugen. Denn das Oberlandesgericht, was heute im Ständesaal seinen Sitz hat, gewährte Eintritt in den Lichthof und den üppig ausgestatteten großen Saal.
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Die durch das Gestühl bewirkte Kirchenstimmung versuchte man hier durch gemalte Teppiche, wie sie in Palästen zu finden waren, abzumildern. Alles ist im Original erhalten geblieben, erklärt Peter Writschan. Zwar wurde im Wechsel der Nutzungen einiges überstrichen, aber nichts sei umgebaut worden. Nachdem zunächst die Fassade mit seinen filigranen Türmchen restauriert war, wurden auch im Inneren umfangreiche Sanierungsarbeiten vorgenommen, das Holz von Farb- und Lackschichten befreit und die Malereien nach Originalbefunden wieder hergestellt.
Viele Besucher waren davon so begeistert, dass sie die vielen Details mit ihrer Kamera festhielten, obwohl das Fotografie-Verbotsschild am Eingang für Verwirrung sorgte.