Uni Rostock: Kein Ehrendoktor für Edward Snowden
Bildungsminister Mathias Brodkorb billigt Entscheidung des Rektors der Universität Rostock und versagt Whistleblower Edward Snowden die Ehrenpromotion wegen fehlender besonderer wissenschaftlicher Leistungen
3. September 2014
Bildungs- und Wissenschaftsminister Mathias Brodkorb hat die Rechtmäßigkeit der Beanstandungen durch den Rektor der Universität Rostock im Fall „Snowden“ bestätigt. Am 22. Mai 2014 hat der Rektor der Universität Rostock den Beschluss der Philosophischen Fakultät, Edward Snowden die Ehrendoktorwürde zu verleihen, beanstandet. Am 20. Juni 2014 hat der Rektor der Universität Rostock den Vorgang dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur zur abschließenden Entscheidung im Rahmen der Rechtsaufsicht übersandt. Eine intensive Rechtsprüfung durch das Ministerium hat ergeben, dass die Beanstandung des Rektors der Universität Rostock auf der Grundlage des geltenden Landeshochschulgesetzes Mecklenburg-Vorpommern zu Recht erfolgte.
„Es ist unbestreitbar, dass das Handeln Edward Snowdens nicht nur ein hohes Maß an Courage erfordert, sondern auch unser Wissen über geheimdienstliche Tätigkeiten stark verändert hat. Gerade in einer sich zunehmend digitalisierenden Welt hat das Handeln Edward Snowdens daher erhebliche Auswirkungen – auch auf die Wissenschaft. Das Landeshochschulgesetz Mecklenburg-Vorpommerns, das allein Rechtsgrundlage für die Vergabe einer Ehrenpromotion sein kann, fordert jedoch, dass der zu Ehrende selbst ‚besondere wissenschaftliche Leistungen‘ erbracht haben muss“, erläuterte Bildungs- und Wissenschaftsminister Mathias Brodkorb.
„Das Landeshochschulgesetz von Mecklenburg-Vorpommern stellt jedoch im Vergleich zu den Gesetzen anderer Bundesländer besonders hohe Anforderungen. Während in anderen Ländern auch Personen mit der Ehrenpromotion geehrt werden können, die sich um die Demokratie, die Kultur oder die Wissenschaft verdient gemacht haben, müssen für Ehrenpromotionen in Mecklenburg-Vorpommern eigenständige ‚besondere wissenschaftliche Leistungen‘ nachgewiesen werden. Dieser Nachweis wurde durch die philosophische Fakultät der Universität Rostock nicht in hinreichender Weise geführt“, sagte Minister Brodkorb zur Begründung der Entscheidung.
Während es der Gesetzgeber den Universitäten bis zum Jahr 2002 selbst überlassen hat zu entscheiden, aus welchen Gründen eine Ehrenpromotion verliehen wird, führte die Änderung des Landeshochschulgesetzes des Jahres 2002 zu folgender Formulierung: „Die Promotionsordnung kann die Verleihung des Doktorgrades ehrenhalber aufgrund besonderer wissenschaftlicher Leistungen vorsehen.“ Mit der Änderung des Landeshochschulgesetzes im Jahre 2002 erfolgte somit durch den Gesetzgeber eine klare Einschränkung der Gründe, die die Vergabe einer Ehrenpromotion rechtfertigen. Es reicht demnach nicht aus, dass die zu ehrende Person eigenständige wissenschaftliche Leistungen erbracht hat, sondern dies muss außerdem in besonderer Weise der Fall sein. Dass diese Bedingungen durch Edward Snowden tatsächlich erfüllt werden, hat die Philosophische Fakultät nicht ausreichend nachgewiesen.
Quelle: Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur MV
Philosophische Fakultät tief enttäuscht über die Entscheidung des Bildungsministers zum Ehrendoktor für Edward Snowden
Das Bildungsministerium hat die Entscheidung der Philosophischen Fakultät, Edward Snowden die Ehrendoktorwürde zu verleihen, als rechtswidrig beanstandet. Das Dekanat ist tief enttäuscht über diese Entscheidung des Bildungsministers. Sie wird weder der wissenschaftlichen Urteilskraft der renommierten Gutachter in diesem Verfahren gerecht noch der differenzierten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema seitens der Ehrenpromotionskommission und des Fakultätsrates. Vor allem verkennt das Ministerium die bereits jetzt sichtbaren wissenschaftlichen Folgen des Wirkens von Edward Snowden, der durch seine Zivilcourage und seine mutige Handlung die Welt über das globale Überwachungssystem der amerikanischen, britischen und, wie wir inzwischen wissen, auch deutschen Geheimdienste aufgeklärt hat. Es ist die einzigartige Leistung von Edward Snowden als Aufklärer, die Welt über diese massenhafte und systematische Verletzung der Grundrechte und Menschenrechte gerade auch in demokratischen Staaten informiert zu haben. Die weltweite, innerhalb und außerhalb der Wissenschaften geführte Debatte über das Verhältnis von Privatsphäre und Öffentlichkeit, über das Verhältnis von Staat und Bürger sowie über die Gefahren der elektronischen Medien hat durch Edward Snowden seit einem Jahr einen Paradigmenwechsel erfahren. Sowohl für die Datenschutzdebatte als auch für die Diskussion um die Freiheitsrechte der Bürger in einer global vernetzten Informationsgesellschaft findet zur Zeit ein intellektueller Epochenwechsel statt, der die Geschichte unterteilt in eine Zeit vor Snowden und eine Zeit nach Snowden.
Es enttäuscht nicht nur die Entscheidung des Bildungsministeriums sondern auch dessen Begründung. Das Ministerium widerspricht der wissenschaftlichen Analyse und Schlussfolgerung der international renommierten wissenschaftlichen Gutachter und des Fakultätsrates, dass die Leistung von Edward Snowden eine besondere wissenschaftliche Leistung sei. Damit beansprucht das Bildungsministerium die Definitionsmacht über das, was im humanistischen Sinne wissenschaftlich ist und was nicht. Entscheidung und Begründung des Bildungsministeriums verstoßen damit nach unserer Auffassung gegen das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit, die der Art.5 des Grundgesetzes allen Wissenschaftlern garantiert. Hat diese Entscheidung Bestand, so ist sie ihrerseits ein fatales Signal über den drohenden Verlust von Freiheitsrechten – in diesem Fall in der Wissenschaft und den Universitäten.
Das Dekanat wird die Begründung jetzt gemeinsam mit seinem Rechtsbeistand sorgfältig prüfen und sich dann zusammen mit dem Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät über das weitere Verfahren verständigen. Es ist möglich, dass die Fakultät sich entschließt, gegen die Entscheidung des Bildungsministers vor dem Verwaltungsgericht zu klagen. Allerdings ist abzuwägen, ob das die beste Möglichkeit ist, das eigentliche Ziel, Edward Snowden angemessen zu ehren, zu erreichen. Andererseits wiegt dieser Eingriff des Staates in die Wissenschaftsautonomie einer Fakultät, wie er in der Entscheidung des Bildungsministeriums zum Ausdruck kommt, schwer und wird seinerseits unser weiteres Vorgehen bestimmen.
Prof. Hans-Jürgen von Wensierski – Dekan
Prof. Gesa Mackenthun – Prodekanin für Forschung
Prof. Elizabeth Prommer – Medienwissenschaftlerin