Kreuzschifffahrt in Warnemünde soll sauberer werden
Landstromanschluss oder Filter? – Ortsbeirat will, dass das Abgasproblem der Kreuzfahrtschiffe im Ostseebad schnell gelöst wird
15. Januar 2014, von Stefanie
Kreuzfahrtschiffe mitten im Ort sind nicht nur hoch attraktiv und damit ein Standortvorteil für Warnemünde, sondern auch ein Problem für das Ostseebad. „Es ist spürbar und sichtbar. Wir können es sehen, wie die Autos aussehen, wenn der Ruß da ist“, sagt Alexander Prechtel, Vorsitzender des Ortsbeirates. Mehrfachanläufe seien nicht auszuhalten, beklagt sich Jürgen Brandt, der in Hohe Düne wohnt. Lüften sei nicht möglich, wenn drei und mehr Kreuzfahrtschiffe in Warnemünde festgemacht haben. Am Abend seien die Fenster voller Dreck.
„Wir müssen uns bemühen das zu tun, was möglich ist, um einerseits die Kreuzfahrtschiffe zu behalten“, erklärt Prechtel und denkt dabei auch an „die Urlauber, die anreisen, weil sie Kreuzfahrtschiffe sehen wollen.“ Andererseits müsse es aber auch für die Menschen, die hier wohnen, erträglich bleiben, betont der Ortsbeiratsvorsitzende und drängt auf eine schnelle Lösung.
Das Problem wird mit der Messung schwerer Feinstaubpartikel nicht erfasst – Neue Messergebnisse im Frühjahr
Prechtel wies dabei die Diskussion um die Aussagekraft von Messdaten zurück. „Es geht nicht so sehr darum, ob bestimmte Messmethoden übermäßige Belastungen anzeigen oder nicht, sondern es geht um das Gefühlte und die Warnemünder fühlen sich von den Emissionen der Kreuzfahrtschiffe belastet.“ In der Vergangenheit hatten Messungen des zuständigen Landesamtes für Umwelt (LUNG) keine Grenzwertüberschreitungen ergeben. Kritik an der Messmethode bezog sich nicht nur auf den Standort, der die vorherrschenden Westwinde nicht genug berücksichtigt, sondern auch darauf, was gemessen wird. „Da ist der Stand der Wissenschaft weiter als die Gesetzgebung“, sagt Daniel Rieger vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). Er verweist darauf, dass bisher nach der EU-Gesetzgebung der Feinstaub nach Gewicht gemessen wird, der menschliche Körper aber weniger ein Problem mit den schweren Partikeln habe, die durch die Nasenhaare recht gut gefiltert werden, sondern vor allem mit den ultra feinen, die über die Lungen in die Blutbahnen gelangen.
Derzeit wird eine neue Berechnung vorbereitet, die die seefahrtstypischen Emissionen und Belastungsschwerpunkte im Bereich Warnemünde ermitteln soll. Voraussichtlich im April werden die Ergebnisse vorliegen.
Landstrom, Flüssiggas oder Filter?
Doch wo ansetzen, um den Ausstoß der Schadstoffe zu verringern? Da man in Warnemünde nicht darauf warten will, bis die internationalen Reedereien ihre Schiffe umweltfreundlicher ausrüsten, wird ein Landstromanschluss in Betracht gezogen, zumindest als Übergangslösung. Die Kosten für eine Anlage, die die Schiffe von Land aus mit Strom versorgt, liegen bei etwa acht Millionen Euro, sagt Umweltsenator Holger Matthäus, der sich vorstellen kann, dass sich Rostock an einer Sammelbestellung beteiligt, um so den Preis noch zu drücken. Bei einem Treffen von Kreuzfahrtstädten im Ostseeraum im Herbst letzten Jahres habe er Bereitschaft für einen Landstromanschluss in Warnemünde signalisiert, insgesamt seien es 21 gewesen. Die internationale Arbeitsgruppe wolle das Thema nun der EU vortragen, um Fördermittel für die Finanzierung zu bekommen.
Vorreiter bei der Entwicklung von Landstromanschlüssen für die Kreuzschifffahrt in Europa ist Hamburg. Dort gibt es den politischen Beschluss einen Landstromanschluss zu bauen. Parallel dazu soll eine sogenannte Powerbarge (ein Schiff mit Flüssiggasturbinen) die Kreuzliner vom Wasser aus mit Strom versorgen. Doch wenn die Anlage im Herbst 2014 fertiggestellt sein wird, gibt es noch ein Problem. Von den Schiffen, die im Ostseeraum unterwegs sind, können die wenigsten Landstrom abnehmen. Lediglich die AIDAsol hat bisher den passenden Stecker.
Während es unter den Warnemündern Stimmen gibt, die sich dafür aussprechen, notfalls das Anlegen von Schiffen, die keinen Landstrom akzeptieren, möglichst auf internationaler Ebene zu untersagen, schaut Jürgen Brandt über den Tellerrand. Für ihn stellt der Landstrom nur eine punktuelle Lösung dar, wenn der Strom aus regenerativen Energien stammt und nicht in Kohlekraftwerken hergestellt wird.
Angesichts der erheblichen Kosten, die für Landstrom- und Flüssiggastechnologien aufgebracht werden müssen, bleiben auch der Rostocker Hafenbetreiber HERO und der NABU skeptisch. Der Naturschutzbund empfiehlt, das Schadstoffproblem mittels Rußpartikelfilter und Stickoxidkatalysatoren anzugehen. So wie es die Rostocker Kreuzfahrtreederei AIDA Cruises derzeit vormacht. NABU-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger erklärt: „Wenn die Flotte, wie angekündigt, bis 2016 umgerüstet wird, stoßen die Schiffe zwar noch eine Menge CO2 aus, aber was die für Mensch und Umwelt besonders schädlichen Luftschadstoffe betrifft, sind die Schiffe weitestgehend sauber, nicht nur im Hafen, sondern auch auf dem Meer.“
Wenn auch noch nicht klar ist, welcher Ansatz verfolgt wird, steht für den Warnemünder Ortsbeirat fest: „Wir müssen das Problem angehen“, so Prechtel, auch wenn es sicherlich keinen Alleingang geben könne. Neben der internationalen Vernetzung der Kreuzfahrtstädte im Ostseeraum hat sich auch in Rostock eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Ortsbeirates, zuständiger Behörden und Naturschutzverbänden zu diesem Thema gegründet. Auch die HERO, die die Zuständigkeit bisher von sich wies, will sich nun an der Erarbeitung von Konzepten beteiligen, sagt Christian Hardt, Leiter für Unternehmenskommunikation und Kreuzschifffahrt der HERO, zu.
Weniger Anläufe 2014 – hohes Verkehrsaufkommen durch Reisewechsel an Wochenenden
Erstmals seit Jahren ist die Anzahl der Anläufe von Kreuzfahrtschiffen in Warnemünde rückläufig. Bei 178 Anläufen bleibe jedoch die Anzahl der Passagiere etwa gleich, da die Schiffe größer seien, sagt Christian Hardt. Mit der Royal Princess (330 Meter lang, 3.600 Passagiere) erreicht das bisher größte Schiff die Warnemünder Molenköpfe.
Gleich drei Reedereien haben sich 2014 aus Warnemünde zurückgezogen. Die amerikanische Reederei Carnival Cruises hat sich entschlossen, in diesem Jahr Europa überhaupt nicht zu bereisen, auch nicht das Mittelmeer. Die spanische Reederei Pullmantour schickt zehn Anläufe nach Wismar, da die Rostocker nicht sicherstellen konnten, dass alle Anläufe nach Warnemünde und nicht in den Überseehafen gehen. Die englische Reederei Fred Olsen, die seit vielen Jahren Stammgast in Warnemünde ist, wird in diesem Jahr auch nicht vertreten sein, weil ihre zahlreichen Stammgäste mal etwas anderes sehen wollen. Mit 19 Anläufen erstmals nach Warnemünde kommt dafür die italienische Reederei MSC, die vorher fast ausschließlich in Kiel vertreten war.
Die Reederei wird hier sonntags Reisewechsel durchführen. Zusätzlich zu den Reisewechseln von AIDA und Costa an Samstagen, müssen sich die Warnemünder daher in diesem Jahr am gesamten Wochenende auf ein erhöhtes Verkehrsaufkommen durch Proviant-LKW, Reisebusse und PKW einstellen.