Rückblick: Lange Nacht der Wissenschaften 2010

Von Gummibärchen, Gold zum Mitnehmen, Britney Spears und Lasern

3. Mai 2010, von
JungChemikerForum bei der Langen Nacht der Wissenschaften in Rostock
JungChemikerForum bei der Langen Nacht der Wissenschaften in Rostock

Was Gummibärchen, Gold zum Mitnehmen, Britney Spears und Laser gemeinsam haben? Sie alle waren Thema der siebenten „Langen Nacht der Wissenschaften“ in Rostock.

Natürlich gab es noch viele weitere Themen – von Google, über die Medizin bis hin zu den Simpsons. Bei der großen Auswahl kann man leider wirklich nur einen Bruchteil der Veranstaltungen besuchen, über ein paar hat Katrin ja schon in ihrer ganz persönlichen „Langen Nacht der Wissenschaften“ berichtet.

Gold zum Mitnehmen versprachen die Mitglieder des JungChemikerForum Rostock bei der Langen Nacht der Wissenschaften
Gold zum Mitnehmen versprachen die Mitglieder des JungChemikerForum Rostock bei der Langen Nacht der Wissenschaften

Mich zog es in dieser Nacht zu den Physikern, waren hier doch gleich mehrere interessante Vorträge zum Thema „Laser“ angekündigt.

Der erste Halt fand jedoch bei den Chemikern statt, sitzen sie doch direkt um die Ecke vom Büro. Und schließlich hatte ich im Stillen gehofft, mich nach diesem Besuch zur Ruhe setzen zu können – „Gold zum Mitnehmen“ hieß es immerhin ganz unbescheiden in ihrer Ankündigung.

Lange Nacht der Wissenschaften - Chemie ist, wenn es knallt und stinkt
Lange Nacht der Wissenschaften - Chemie ist, wenn es knallt und stinkt

Nun ja, einzelne Cent-Münzen mit einem kleinen Goldüberzug holten mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Würden diese doch weder für meine Rente, geschweige denn für die Rettung des griechischen Staatshaushalts reichen, wie ich ernüchtert feststellen musste.

Dem Spaß, vor allem beim jüngeren Publikum, tat dies natürlich keinen Abbruch. Getreu dem Motto, „Chemie ist, wenn es knallt und stinkt“ zogen die Mitglieder des JungChemikerForums Rostock das Publikum in ihren Bann. Wenn Gummibärchen zu Feuerbällen werden, werden Kinderaugen einfach ganz groß …

Bis zu den Vorträgen im Institut für Physik blieb noch etwas Zeit, sodass ich mich aufmachte in die Europäische Wirtschafts- und Sprachakademie (EWS). Unter dem Motto „Kunst trifft Wissenschaft“ fand hier die offizielle Eröffnung des Abends statt und es war ein ganz besonderer Höhepunkt angekündigt.

Dr. Liane Melzer (Kultursenatorin), Prof. Dr. Wolfgang Schareck (Rektor, Uni Rostock), Ulrich Funk (EWS), Kurt Schanné (Bildungsministerium)
Dr. Liane Melzer (Kultursenatorin), Prof. Dr. Wolfgang Schareck (Rektor, Uni Rostock), Ulrich Funk (EWS), Kurt Schanné (Bildungsministerium)

Politik und Wissenschaft so einträchtig an einem Strang ziehend zu sehen, kann man durchaus als Highlight bezeichnen, es war aber noch nicht der Höhepunkt, den ich meine.

Was Liane Melzer, Wolfgang Schareck, Ulrich Funk (EWS) und Kurt Schanné vom Bildungsministerium hier trieben? Nein, es war keine neumodische Tanzeinlage. Sie schlossen Hand an Hand den Stromkreis für den MP3-Player.

Professor Primel und Fräulein von Rettich
Professor Primel und Fräulein von Rettich

Wer Politiker und Wissenschaftler zu derartigen Aktionen überredet? Klar, Prof. Primel (Sven Lange) und seine Assistentin Fräulein von Rettich (Anne Vogelsang) waren es, die humorvoll durch den Abend führten und hier gerade demonstrieren, wie man mit Seifenblasen Ping Pong spielt.

Die siebente „Lange Nacht der Wissenschaften“ – eine ganz besondere Veranstaltung, ist „die Sieben doch eine Rostocker Zahl“, wie uns Prof. Schareck in Erinnerung rief. Nebenbei erinnerte der Rektor an die Worte von Albert Einstein, dem 1919 – noch vor dem Nobelpreis – die Ehrendoktorwürde der Universität Rostock verliehen wurde: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“

„In dem Sinne wünsche ich Ihnen ganz viel Neugier heute Nacht und eine hellwache Lange Nacht der Wissenschaften“, so Wolfgang Schareck.

Hybrid Cosmics: Stephan Wegner, Konstantin Siegmeier, Hartmut Möller, Jonathan Boudevin, Maximilian Piotraschke
Hybrid Cosmics: Stephan Wegner, Konstantin Siegmeier, Hartmut Möller, Jonathan Boudevin, Maximilian Piotraschke
Nun aber endlich zu dem versprochenen Höhepunkt der Eröffnungsveranstaltung, zumindest zu dem musikalischen. Schließlich lautete das Motto der Veranstaltung „Kunst trifft Wissenschaft“.

Den Kunstgenuss versprach die Band „Hybrid Cosmics“ von Prof. Hartmut Möller und Studenten der Hochschule für Musik und Theater.

Mit teils außergewöhnlichen Instrumenten wagen sie sich an Neuinterpretationen von bekannten und unbekannten Stücken jeglicher Stilrichtungen – von Klassik bis Pop, das Ganze in einem ganz einzigartigen Klangspektrum.

Den Stil der Band beschreiben? Kann man nicht! Umso mehr freue ich mich, dass Prof. Möller sofort damit einverstanden war, hier eine Kostprobe wieder zu geben. Auch wenn die Qualität mangels Stativ und externem Mikrofon zu wünschen übrig lässt, bekommt Ihr vielleicht Lust, die Band mal live zu erleben. Das Erlebnis ist es wirklich wert!

Passend zur Rostocker Zahl Sieben und der siebenten Langen Nacht der Wissenschaften spielten „Hybrid Cosmics“ das Stück „Sieben Katzen“:

„Es klang“, so Liane Melzer, „als ob die Katzen durchaus Spaß hätten an dieser Nacht der Wissenschaften.“ Sichtlich Spaß hatten nicht nur die Bandmitglieder selbst, sondern auch das begeisterte Publikum.

Hatte ich am Anfang nicht Britney Spears erwähnt? Auch sie war hier vertreten. Nein, nicht persönlich – viel besser, in einer fantastischen Rock-Klassik-Interpretation ihres „Hit me baby one more time“.

Prof. Dr. Fedor Mitschke
Prof. Dr. Fedor Mitschke

Nun aber schnell zu den Physikern. Hier stand an diesem Abend alles im Zeichen eines runden Jubiläums, wurde der Laser doch 1960, also vor genau 50 Jahren, erfunden.

„Fantastisches wird Alltag: 50 Jahre Laser“ überschrieb Prof. Dr. Fedor Mitschke seinen Einstieg in das Vorlesungsprogramm dieses Abends.

„Den Laser kennen Sie alle, zumindest aus dem Kino“, erinnerte Prof. Mitschke an den Klassiker „Goldfinger“, bei dem James Bond bereits 1964 von einem Laserstrahl zerteilt werden sollte. Aber auch aus dem täglichen Leben sei der Laser nicht mehr wegzudenken. Vom CD-Spieler, über den Laserdrucker bis zum Scanner an der Supermarktkasse. Ebenso unverzichtbar sei er in der Medizin und Wirtschaft geworden.

Anwendungsmöglichkeiten in der Wissenschaft? Spektroskopie sei da eine ganz wesentlich, so Mitschke. Die meisten Informationen, die wir überhaupt über den Aufbau von Materie haben, verdanken wir der Spektroskopie.

Möglichst präzise messen zu können, sei momentan ein wesentliches Ziel der Forschung. Angestrebt werde ein optischer Frequenzstandard, eine direkte Anbindung optischer Frequenzen an Atomuhren. Bei der Genauigkeit aktueller Frequenzmessungen ist dann auch die Frage erlaubt, ob unsere Naturkonstanten eigentlich wirklich konstant sind, ob sie ihren Namen überhaupt verdienen. Die Lichtgeschwindigkeit beispielsweise, hat sie sich verändert in den letzten Jahren, Jahrzehnten, Jahrtausenden? Um hier Änderungen feststellen zu können, müsse man über sehr lange Zeiträume beobachten oder eben sehr genau messen können.

Prof. Dr. Stefan Lochbrunner
Prof. Dr. Stefan Lochbrunner

„Laserpulse für die schnellsten Vorgänge in der Natur“ waren das Thema der Vorlesung von Prof. Dr. Stefan Lochbrunner.

Um welche Zeitspannen es hierbei geht? Um Femtosekunden (fs). Wie kurz so eine Femtosekunde ist? Verdammt kurz, 10-15 Sekunden um genau zu sein. Professor Lochbrunner verglich diese unvorstellbar kleinen Werte anschaulich.

Benötigt das Licht von der Erde bis zum Mond rund eine Sekunde, braucht es, um den Durchmesser eines Haares zurückzulegen, gerade mal eine Pikosekunde, was aber immer noch 1.000 Femtosekunden entspricht. Entsprechend hoch muss auch die Genauigkeit bei den Experimenten sein. Eine Stabilität, die beim Hundertstel eines Haares liegt, sei notwendig und das über mehrere Meter.

Schwingungen auf Molekülebene würden typischerweise zwischen 10 und 100 fs benötigen. Diese Vorgänge zu beobachten und zu untersuchen, sei ein Ziel der Forschung, so Lochbrunner. Einblicke in den Reaktionsweg bei chemischen Vorgängen zu erhalten oder den Energietransport in photonischen Materialien zu verfolgen – hier liege das Interesse der Wissenschaftler.

Prof. Dr. Dieter Bauer
Prof. Dr. Dieter Bauer

„Heller als Milliarden Sonnen“ kündigte Prof. Dr. Dieter Bauer vollmundig seinen Vortrag an. „Eigentlich habe ich sogar stark untertrieben“, so Bauer, „ich hätte auch Trilliarden Sonnen sagen können.“ Bezogen auf einen Quadratzentimeter kommen von der Sonne gerade mal 0,137 Watt. Die stärksten Laser liegen aktuell hingegen bei einer Leistung von 1021 Watt pro Quadratzentimeter.

Bis in die achtziger Jahre stagnierten Laser bei einer Leistung von etwa 1014 Watt. Der Grund? Die Laser zerstörten bei höherer Leistung ihre eigenen Spiegel und Linsen und damit sich selbst. Die Lösung des Problems? Wie immer bei guten Ideen ist sie ebenso einfach wie effizient. Der Laserimpuls wird gestreckt (sodass weniger ‚zerstörerische‘ Energie pro Zeiteinheit auf die Komponenten trifft), dann verstärkt und erst im letzten Schritt wieder zur vollen Leistung zusammengeschoben. So wurden Laser mit Leistungen im Petawatt-Bereich möglich.

Wofür man derartig starke Laser benötigt? Um mit dem Licht des Lasers Materie zu bewegen. Je intensiver das Licht, desto höher auch die Energie der Materieteilchen. Anwendungsbeispiele sind kompakte Ionenbeschleuniger für die Medizin oder auch Teilchenbeschleuniger für die Kernfusion.

Beispielsweise der aktuell stärkste Laser der Welt. Die National Ignition Facility (NIF) ist vier Fußballfelder groß, befindet sich in Kalifornien und besteht aus 192 Lasern, die auf ein Millimeter großes Zielobjekt fokussiert werden. Im Zentrum befindet sich eine 7 Millimeter große Goldhülse. In ihrem Inneren ein kleines Kügelchen aus den Wasserstoff-Isotopen Deuterium und Tritium – Basis für die Kernfusion. Eine wirklich interessante Thematik, die Professor Bauer sehr anschaulich vermittelte!

Alles viel zu kompliziert? Für etwas leichtere Kost sorgten die Stadtphysikanten mit ihrer „zu 95% sicheren, 42 ergebenden Schauvorlesung“.

Die 3 Fragezeichen - Schauvorlesung, Physik, Uni Rostock - Peter Shaw (Marco Schröter), Justus Jonas (Ulrike Lüders) und Bob Andrews (Christin Baudisch)
Die 3 Fragezeichen - Schauvorlesung, Physik, Uni Rostock - Peter Shaw (Marco Schröter), Justus Jonas (Ulrike Lüders) und Bob Andrews (Christin Baudisch)

Als „Die Drei Fragezeichen“ machten sich Marco Schröter (als Peter Shaw), Ulrike Lüders (Justus Jonas) und Christin Baudisch (Bob Andrews) auf in die Villa von Dr. Frank N. Stein (Benedikt Ehard), um die von ihm gestohlenen Messergebnisse zurückzuholen.

Dabei stießen sie auf zahlreiche physikalische Phänomene, die es zu (er)klären galt.

Klangröhren - heiße Luft erzeugt Töne in Glasröhren
Klangröhren - heiße Luft erzeugt Töne in Glasröhren

Glasröhren waren zu sehen, denen mittels heißer Luft Töne entlockt wurden. Je nach Länge der Röhre in verschiedenen Frequenzen – ein Prinzip, das analog auch bei Orgelpfeifen zum Einsatz kommt.

Gruselige Nebenschwaden zogen durch den Hörsaal. Es waren Rauchringe, die sich durch Verwirbelungen an der Austrittsöffnung eines Signalgebers – eines zweckentfremdeten Mülleimers – bildeten.

Rauchringe
Rauchringe

Mit der so sichtbar gemachten Druckwelle kann man sogar ein Streichholz auspusten – etwas Übung und Zielwasser vorausgesetzt. Rauchringe kommen auch in der Natur vor, bei Vulkanausbrüchen, wie zu erfahren war.

Ein vermeintlich harmloser Kamin entpuppte sich ganz nebenbei als Mini-Tornado. Die Aufwärtsströmung der erwärmten Luft sorgte in einem in Rotation versetzen Drahtkäfig für diesen eindrucksvollen Effekt.

Chladnische Klangfiguren - Schallwellen auf einer Metallplatte sichtbar gemacht
Chladnische Klangfiguren - Schallwellen auf einer Metallplatte sichtbar gemacht

Kann Mehl brennen? Natürlich nicht! Aber fein zerstäubt kann es zu einer beachtlichen Mehlstaubexplosion kommen. Kerzen neben der Mehlschüssel auszupusten, ist also keine so gute Idee …

Mit einer Metallplatte, einem Geigenbogen und etwas Sand wurden Töne sichtbar gemacht (Chladnische Klangfiguren).

Aber kann eine Fahrradkette rollen? Sicher! Man muss sie nur in schnelle Rotation versetzen. Dank Muskel- und Zentrifugalkraft rollte sie erfolgreich über den Tisch.

Rostocker Stadtphysikanten
Rostocker Stadtphysikanten

Und kann man Naturgesetze aufheben, die Schwerkraft beispielsweise? Eine scheinbar schwerelos über einem Magneten schwebende Scheibe hatte dies der Supraleitung und dem Meißner-Ochsenfeld-Effekt zu verdanken. Minus 196 Grad Celsius kalter Stickstoff sorgte für die notwendige Kühlung.

Der Stickstoff ließ anschließend nicht nur eine Rose wie Glas splittern, sondern sorgte auch für die Aufforderung „Ohren zu, Mund auf!“ Mit flüssigem Stickstoff gefüllt und mit MacGyver-Musik unterlegt, explodierte eine Plastikflasche bei der Erwärmung mit lautem Knall.

Lasershow, Lange Nacht Wissenschaften in Rostock
Lasershow, Lange Nacht Wissenschaften in Rostock

Da die Experimente der Stadtphysikanten stets ebenso beliebt wie gut besucht sind, gab es ihre Schauvorlesung an diesem Abend gleich im Doppelpack zu erleben. Der große Hörsaal in der Physik war beide Male gerammelt voll, das Publikum zeigte sich begeistert.

Wenn der Laser im Mittelpunkt des Abends steht, was darf dann in keinem Fall fehlen? Richtig, eine Lasershow! Für diese sorgte zum Abschluss Dr. Josef Tiggesbäumker mit seinem Team im Innenhof des Institus für Physik. Ein stimmungsvoller und gelungener Ausklang des Abends.

Kommunikationspreis, Lange Nacht der Wissenschaften in Rostock 2010
Kommunikationspreis, Lange Nacht der Wissenschaften in Rostock 2010

Wer jetzt noch munter war, für den hieß es: ab ins Capitol. Fand hier doch zu später Stunde die After-Science-Party statt. Jeder, der drei Stationsstempel auf seinem Eintrittsticket vorweisen konnte, bekam ein Begrüßungsgetränk gratis.

Hier stand auch die Verleihung des Kommunikationspreises an. Vergeben wird er für die anschaulichste Präsentation. Im letzten Jahr ging der Pokal – eine Wissensboje – an das Leibniz-Institut für Ostseeforschung (IOW) für ihren Beitrag „Meere in Bewegung“. Anhand einer Tasse Milchkaffee erklärten sie anschaulich, was in einem Ozean so vor sich geht.

2010 ging der Kommunikationspreis an das Team der Fakultät für Informatik und Elektrotechnik. Mit einem Schauspiel brachten sie ihren Gästen ebenso eindrucksvoll wie verständlich das „Wesen des Schalls“ näher – Glückwunsch!

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