Schausteller gegen Theaterneubau am Bussebart

Rostocker Weihnachtsmarkt ohne Fahrgeschäfte an der Fischerbastion? Schausteller bangen um ihre Existenz

11. Mai 2011, von
Rostocker Weihnachtsmarkt am Standort Fischerbastion/Bussebart
Rostocker Weihnachtsmarkt am Standort Fischerbastion/Bussebart

Glühwein, Backbanane und Bratapfel – wer mag bei diesen sommerlichen Temperaturen schon an den Weihnachtsmarkt denken?

Die Schausteller unseres Landes tun es und sie plagen Ängste, Existenzängste. Grund ist der mögliche Theaterneubau am Standort Bussebart/Fischerbastion. Für die Schausteller ist dieser Teil des Weihnachtsmarktes unverzichtbar.

„Bis zu 50 Prozent unseres Jahreseinkommens beziehen wir aus dem Rostocker Weihnachtsmarkt“, stellt Norma Urbigkeit, stellvertretende Vorsitzende des Schaustellerverbandes Mecklenburg-Vorpommern (SVMV), fest. Die Fahrgeschäfte an der Fischerbastion seien nicht nur Magnet für viele Besucher, sondern auch ein Alleinstellungsmerkmal unter den norddeutschen Weihnachtsmärkten.

Norma Urbigkeit, stellvertretende Vorsitzende des Schaustellerverbandes Mecklenburg-Vorpommern
Norma Urbigkeit, stellvertretende Vorsitzende des Schaustellerverbandes Mecklenburg-Vorpommern

„Das benötigt keine künstliche Dramatik, es ist existenziell“, spricht Urbigkeit für die rund 70 Mitglieder ihres Verbandes. Die Einnahmeverluste an diesem Ort könnten nicht kompensiert werden, viele der Schausteller würde es in den Konkurs treiben. 40 Betriebe mit rund 200 Arbeitsplätzen wären vom Wegfall des Platzes betroffen, heißt es.

„Für uns bedeutet das, dass wir den Betrieb ohne den Weihnachtsmarkt in dieser Form nicht aufrechterhalten können“, pflichtet Schausteller Igor Upleger ihr bei. Auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt betreibt er die Bayern Wippe und einen Autoskooter. Aufgrund von Baumaßnahmen muss er in diesem Jahr wohl schon am Kröpeliner Tor weichen. Ohne den Standort an der Fischerbastion würde die Anbindung an den Weihnachtsmarkt fehlen und die Attraktivität des Rostocker Weihnachtsmarktes leiden, ist sich Upleger sicher.

Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes
Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes

„Kein Schausteller hat etwas gegen ein Theater“, macht auch Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes (DSB), deutlich klar, schließlich sei es als Wandertheater auf der Kirmes groß geworden.

Aber auch das, so Ritter, was sich ganz ohne Subventionen selber finanziert und was vom kleinen Mann angenommen wird, ist Kultur. „Wir haben auch in Rostock jedes Jahr die Abstimmung mit den Füßen. Eineinhalb bis zwei Millionen Menschen sind auf diesem Fest“, spielt Ritter indirekt auf die Besucherzahlen des Theaters an.

Nach einer Studie aus dem Jahr 2007 liegt die Wertschöpfung des Weihnachtsmarktes für die Teilnehmer und die Innenstadt bei insgesamt etwa 13,5 Millionen Euro. Neben der Hanse Sail sei es nicht nur für die Hotellerie der zweite Höhepunkt des Jahres. Auch aus Werbe- und Städteförderungssicht dürfte ein Volksfest mit 1,5 Millionen Gästen unbezahlbar sein.

„Theater ja, aber bitte dort, wo es diese traditionelle Fläche Weihnachtsmarkt nicht beschädigt“, zieht Ritter sein Fazit. Dass ein Stück Kulturgut ein anderes vernichtet, dürfe nicht zugelassen werden.

Igor Upleger, Albert Ritter, Norma Urbigkeit und Jörg Voigt (Großmarkt GmbH)
Igor Upleger, Albert Ritter, Norma Urbigkeit und Jörg Voigt (Großmarkt GmbH)

Fällt der Standort „An der Fischerbastion“ weg, würden der Großmarkt GmbH etwa 20 Prozent der Mieteinnahmen während des Weihnachtsmarktes fehlen. Davon wären nicht nur die Schausteller betroffen, so Urbigkeit , sondern auch die weihnachtliche Gestaltung der Innenstadt, das Bühnenprogramm oder die stets mit großem Aufwand inszenierte Ankunft des Weihnachtsmanns.

„Erhaltet uns diese Fläche für den Weihnachtsmarkt, damit er das bleibt, was er bisher war – der größte im Norden“, lautet ihr Appell an die Kommunalpolitiker.

Der Rosengarten zu klein, der Christinenhafen zu abgelegen und die Flächen an der Fischerbastion werden für den Weihnachtsmarkt benötigt – es dürfte schwierig werden mit der Standortsuche für den Theaterneubau.

Wobei es nach wie vor an jeglichen Konzepten fehlt, sowohl was die inhaltliche Ausrichtung des Ensembles betrifft als auch die Kosten für einen Neubau. Der Finanzausschuss mochte sich daher gestern auf keinen der drei Standorte festlegen und strich den Punkt von der Tagesordnung. „Wenn wir so arbeiten würden, würde es uns gar nicht mehr geben“, stellte Upleger mit Blick auf die Vorliebe der Politiker fest, ohne Zahlen und Konzepte über Standorte zu diskutieren.

Fischerbastion/Bussebart
Fischerbastion/Bussebart

Dabei gab es schon 1964 einen Ideenentwurf von den Architekten Kaufmann/Jastram für einen Theaterbau am Bussebart. Seitdem ist ein halbes Jahrhundert vergangen und es ist lediglich viel Wasser die Warnow heruntergeflossen – wohl das Einzige, worauf wir uns auch die nächsten 50 Jahre verlassen können.

Was die Standortsuche betrifft, wurde heute unter der Hand noch ein ganz anderer Platz heiß gehandelt – südöstlich des Steintors, wo das Stadttheater bis zur Zerstörung 1942 sein Zuhause hatte. Vielleicht möchte die Ostseezeitung ihrer Aktion „Ein Stein für unser Volkstheater“ tatsächlich Taten folgen lassen und nicht nur die Steine des dort stehenden Verlagsgebäudes spenden, sondern das Grundstück gleich dazu – ein breiter Konsens in der Bevölkerung wäre wohl garantiert.

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