Hochwasserschutz im Stadthafen - Pläne vorgestellt
Für 24,5 Mio. Euro möchte das Land im Stadthafen einen 3,54 Meter hohen Hochwasserschutz bauen – Trassenverlauf und Gestaltung stehen allerdings noch nicht endgültig fest
8. Juni 2022, von Olaf
Das Land plant im Rostocker Stadthafen den Bau eines 3,54 Meter hohen Hochwasserschutzes. Die fast drei Kilometer lange Sturmflutschutzanlage soll vom Kabutzenhof bis zur Vorpommernbrücke reichen und überflutungsgefährdete Bereiche in der Kröpeliner-Tor-Vorstadt (KTV) sowie der Altstadt vor Sturmfluten schützen.
Verantwortlich für Planung und Bau ist das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg (StALU MM). Zusammen mit der Stadtverwaltung und dem Team der Bundesgartenschau (Buga) stellte es heute im Rathaus den aktuellen Planungsstand vor. Alle Details sind aber noch nicht geklärt.
Harmonie zwischen Stadt und Land?
„In einer guten Harmonie, bis zum heutigen Tag“ würden die Gespräche zwischen Stadt und Land verlaufen, beteuerte Holger Matthäus (Grüne), Senator für Infrastruktur, Umwelt und Bau: „Wir haben die Chance, in einem großen Gemeinschaftsprojekt nicht nur den Stadthafen zu entwickeln, sondern gleichzeitig auch den Hochwasserschutz mit zu planen und zu bauen.“
Auch Till Backhaus (SPD), Minister für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt, lobte „die intensiven Gespräche im 14-tägigen Rhythmus“ und dass die Fachämter der Stadt von Beginn an in die Planungen miteinbezogen wurden. „Es wäre dem Haushaltsgesetzgeber und den Steuerzahlern nicht zu vermitteln, wenn ohne Berücksichtigung von lokalen Interessen Gelder ausgegeben werden für Lösungen, die zwar ihren fachlichen Sinn ergeben, aber Streit bei und mit den zu schützenden Personen oder Firmen auslösen.“ Bedenken gab es vor allem von Gastronomen am Kempowskiufer, die eine hohe, hässliche Mauer vor ihren Restaurants befürchten.
Backhaus betonte, dass der Küsten- und Hochwasserschutz bebauter Gebiete mit einem Ortskern zwar „originäre Aufgabe des Landes Mecklenburg-Vorpommern“ ist, doch „das, was draußen rum passiert“, so der Minister, „ist Aufgabe der Stadt“. „Ich hoffe, ich höre heute auch, wie weit die Planungen sind. Und was der ganze Spaß kostet.“ Darauf hatte Rostock allerdings noch keine Antwort.
Hochwasserschutz und die Bundesgartenschau
Bei so viel Harmonie hatte der Minister sogar einen Blumenstrauß mit ins Rathaus gebracht. Der war allerdings für seine Amtsleiterin Ines Liefke. Seit 25 Jahren steht die StALU-Chefin in Diensten des Landes. „Dafür gibt’s die Blumen, die gibt’s nicht für die Buga“, konnte sich der Minister einen Seitenhieb in Richtung Stadtverwaltung nicht verkneifen.
Erst gestern hatte der Buga-Aufsichtsrat noch einmal bekräftigt, dass „die Umsetzung einer Buga nach den Kriterien einer Bundesgartenschau im Jahr 2025 im Rostocker Oval nicht möglich“ sei. Genau daran hatte Backhaus jedoch Fördermittel in Millionenhöhe geknüpft. Die geplante Umgestaltung des Christinenhafens, die Warnowbrücke und das Archäologische Landesmuseum haben direkten Einfluss auf den Hochwasserschutz. „Alles hängt mit allem zusammen“, so Backhaus. „2025 ist seit gestern vom Tisch. Doch die Stadt steht weiter in der Verantwortung und muss sagen, welche Alternativen sie will.“
Hochwasserschutz ist wirtschaftlich sinnvoll
Auch wenn viele Details noch offen sind, ist ein Punkt inzwischen klar: Der Hochwasserschutz im Stadthafen wird kommen. Vor knapp zwei Jahren hatte das Stalu diesen überraschend selbst infrage gestellt, da die Hochwasserschäden kaum höher wären als die Kosten des geplanten Sturmflutschutzes.
Ein neue Berechnung mit mikroskaligem Ansatz hat jedoch deutlich höhere Schadenssummen ergeben, erläutert Dr. Lars Tiepolt, Dezernatsgruppenleiter im StALU. Danach ist der Nutzen rund zwölfmal so hoch wie die Kosten für den Hochwasserschutz.

3,54 Meter hoher Hochwasserschutz, aber keine drei Meter hohe Mauer
Geplant wird die Sturmflutschutzanlage mit einer Höhe von 3,54 Meter über Normalhöhennull (NHN). Basis für die Berechnung ist ein statistisch alle 200 Jahre auftretendes Referenzhochwasser von 2,50 Meter. Dazu kommt ein Vorsorgemaß von 0,84 Meter für den aufgrund des Klimawandels bis 2100 erwarteten Anstieg des Meeresspiegels. Zusammen mit einem Mindestfreibord von 0,20 Meter für den Wellengang ergibt sich die Konstruktionsoberkante von 3,54 Meter über NHN.
Der Wert bedeutet natürlich nicht, dass im Stadthafen eine entsprechend hohe Mauer gebaut wird. Einerseits liegt die Kaikante bereits deutlich über der Wasserlinie, andererseits steigt das dahinterliegende Gelände teilweise bereits an. Dennoch liegt die durchschnittliche Ansichtshöhe bei 1,28 Meter, auf Höhe der Friedrichstraße wären es sogar 1,87 Meter – drüber schauen oder gar steigen kann man dort nicht mehr. Wenn es möglich ist, werden wir immer versuchen, die Spundwand zu verstecken, verspricht Tiepolt.
Matrosendenkmal, Kabutzenhof und Kehrwieder
Für die Überfahrt von der L22 zum Kabutzenhof ist eine Fahrbahnanhebung geplant. Das Matrosendenkmal erhält eine terrassenartige Freianlage. Bis kurz vors Braugasthaus „Zum alten Fritz“ soll die Hochwasserschutzwand zwischen der L22 (Warnowufer) und dem Geh-/Radweg verlaufen. Aktuell sind zwei Übergänge mit Treppen und Rampen geplant.
Die Vorzugsvariante der Stadt sieht für den Bereich bis zum M.A.U. Club eine Neuaufteilung des Straßenraums vor, erklärt Ralph Müller, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wirtschaft. Der Gehweg wird auf max. 3,50 Meter ausgebaut, Kraftfahrzeuge und Radfahrer teilen sich die fünf Meter breite Anliegerstraße. Der Grünraum zwischen Hochwasserschutzwand und L22 wird auf 5,50 Meter ausgebaut, mit Bäumen bepflanzt und von der L22 zur Mauer hin angeböscht, sodass sich deren sichtbare Höhe auf 0,50 Meter reduziert. Es gehe um eine „standortgerechte Gestaltung“, sagt Rostocks oberster Stadtplaner. Schließlich sei der Stadthafen nicht weniger als die „gute Stube“ der Hansestadt.
Die vorhandenen Bäume müssen nicht zwangsweise gefällt werden, man könne diese auch – wie in der Fritz-Reuter-Straße getestet – umsetzen, erläutert Holger Matthäus. Schwieriger wird es im Bereich östlich der Straße Kehrwieder – die dort vorhandene zweireihige Allee genießt besonderen Schutz.

Christinenhafen und Kempowskiufer
Im Bereich des Christinenhafens ist weiterhin eine Geländeerhöhung durch Aufschüttungen auf die erforderliche Höhe von 3,54 Meter vorgesehen. Im Siegerentwurf für das Areal sind Wiesenschollen („Grüne Dünen“) vorgesehen, die den Hochwasserschutz verstecken, erklärt Robert Strauß. „Aufenthaltsqualität und Hochwasserschutz sind möglich“, ist der Chefplaner der Buga-GmbH überzeugt.
Besonders sensibel ist der Bereich am Kempowskiufer, wo die Mauer zwischen Kaikante und Gebäuden verlaufen soll. Kritik gab es vor allem von den hier ansässigen Gastronomen. Die aktuelle Vorzugsvariante der Stadt sieht für diesen Bereich verschiedene Maßnahmen vor.
Die Fahrradstraße zwischen Mauer und Häusern soll geringfügig um bis zu 30 Zentimeter angehoben werden, die Grünflächen deutlich um bis zu 1,20 Meter. Zur Fahrradstraße soll die sichtbare Höhe durch eine Geländemodellierung (Anhäufung) reduziert werden. Nur an den Durchgängen wäre die volle Höhe der Mauer von 1,20 Meter wahrnehmbar.
Die absolute Höhe des Hochwasserschutzes wird von 3,54 Meter auf 3,20 Meter über NHN reduziert und erst in Zeitscheiben bis 2070 realisiert. Dies entspricht dem noch vor einigen Jahren erwarteten Anstieg des Meeresspiegels. Anschließend würde die Mauer auf ihre endgültige Höhe gebracht.
Silohalbinsel und Vorpommernbrücke
Für die Silohalbinsel sind derzeit noch zwei Varianten im Gespräch. Die Mauer könnte entlang der Kaikante oder der L22 geführt werden. Bevorzugen würde er die erste Variante, so Tiepolt. Zwar wurden beim Bau der Gebäude die Hochwasservorschriften berücksichtigt, jedoch nicht das kürzlich erhöhte Vorsorgemaß. Zudem wäre der Zugang zu den Gebäuden abgeschnitten, wenn das Hochwasser zwischen ihnen und der Schutzmauser an der L22 steht.
An der Holzhalbinsel verläuft die Hochwasserschutzwand weiter entlang der L22 bis hinter die Straßenbahnhaltestelle „Stadthafen“. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite führt sie zurück bis ans geplante Petritor. Erst hier ist das Gelände wieder hoch genug.
Wenn die marode Vorpommernbrücke erneuert wird, könnte diese vielleicht bis an die Slüterstraße heran auf die erforderlichen 3,54 Meter erhöht werden, blickt Stadtplaner Müller in die Zukunft, allerdings müssten dafür auch die Straßenbahngleise angehoben werden. Zusätzliche Schutzmaßnahmen wären in diesem Bereich dann nicht mehr erforderlich.
Sperrwerk keine Option
Eine klare Absage erteilte Lars Tiepolt der immer wieder aufkommenden Idee eines zentralen Sperrwerks, wie es etwa in Greifswald gebaut wurde. Dies sei sowohl von den Baukosten mit etwa 200 Mio. Euro als auch im Unterhalt (jährlich etwa zehn Prozent der Baukosten) deutlich teurer.
Zudem würde man den Zugang zum Hafen kappen. Bei einer Lebensdauer von 100 Jahren müsse man damit rechnen, dass es in Zukunft Hochwassersituationen gibt, bei denen das Sperrwerk tagelang geschlossen werden müsste.
Baubeginn für 2023, Fertigstellung bis 2030 geplant
Das Stalu rechnet bis Ende 2022 mit einer Genehmigung der Küstenschutzmaßnahme. Im nächsten Jahr sollen Ausführungsplanung, Ausschreibung und Vergabe für einzelne Bauabschnitte beim Matrosendenkmal und im Buga-Bereich folgen.
Ab 2026 – nach der bislang geplanten Buga – sind die weiteren Bauabschnitte vorgesehen. Mit dem Lückenschluss im Bereich des Archäologischen Landesmuseums soll das Gesamtvorhaben bis 2030 fertiggestellt werden.